Arzthaftung – BGH-Entscheidungen 2022 und politische Planung 2023

Der Bundesgerichtshof hat im vergangenen Jahr für eine Stabilisierung des Arzthaftpflichtrechts gesorgt. Die Zukunft birgt allerdings Unsicherheiten, die sowohl das rechtliche Umfeld der Arzthaftung als auch deren strafrechtliche Folgen betreffen.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs

Die Entscheidungen des BGH als höchstes deutsches Zivilgericht sind regelmäßig richtungsweisende Leitplanken ärztlichen Handelns. Erinnert sei an drei exponierten Entscheidungen unserer letzten Jahresrückblicke, dass nämlich

  • eine elektronische Dokumentation keinen Beweiswert hat, wenn sie nicht technisch sicherstellt, dass der ursprüngliche Eintrag bei Änderungen erhalten bleibt (BGH VI ZR 84/19)
  • ohne Kenntnis des Patienten von einem Behandlungsfehler die dreijährige Verjährung nicht zu laufen beginnt, weil die dokumentierte “vaginal-operative Entbindung“, „Schulterdystokie“, „Parese des Plexus brachialis“, „Claviculafraktur“ dem Patienten keine Veranlassung geben, wegen eines Fehlerverdachtes zu recherchieren (BGH VI ZR 186/17)
  • ein Eingriff – hier eine Injektionsbehandlung mit 40 ml Meierin und 20 mg Triamcinolon – nur dann rechtmäßig ist, wenn dem Patienten unabhängig von einer Detailaufklärung ein grundsätzlicher Eindruck von der Schwere des Eingriffs und von der Art der Belastungen vermittelt wurde (BGH VI ZR 27/17).


Im Jahr 2022 befasste sich der BGH vor allem mit den Parteirechten im Arzthaftungsprozess, mit dem sogenannten groben Fehler, mit der Patientenaufklärung und mit dem Schmerzensgeld.

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Gegen die Kommerzialisierung – Zielvereinbarungen in Chefarztverträgen

Ökonomisierung versus Kommerzialisierung

Seit vielen Jahren enthalten Arbeitsverträge leitender Ärztinnen und Ärzte in den meisten Krankenhäusern in Deutschland variable Vergütungsanteile, für die jährlich sogenannte Zielvereinbarungen getroffen werden.

Bei Erreichen der dort gesetzten Zielgrößen werden Bonuszahlungen fällig, die einen erheblichen Anteil am Gesamteinkommen des Arztes ausmachen können. Das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) ermittelte im Rahmen des Krankenhaus-Barometers, einer schriftlichen Befragung zugelassener Krankenhäuser ab 100 Betten, für das Jahr 2017 einen Anteil von Krankenhäusern, die Zielvereinbarungen mit ihren Chefärzten treffen, von insgesamt 62 %, wobei insbesondere große Krankenhäuser einen hohen Anteil auf-wiesen (90 % bei Krankenhäusern mit mehr als 600 Betten).1 In der Kienbaum-Gehaltsstudie von 2017 lag der Anteil von Bonusvereinbarungen in Neuverträgen bei fast 50 Prozent, die durchschnittliche Höhe dieser variablen Gehaltskomponente wurde mit 76.000 Euro beziffert.2

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Erratum zu: „4. Ethiktag am UKH – Wer entscheidet über die medizinische Versorgung, wenn ich es selbst nicht mehr entscheiden kann?“

im Ärztblatt Sachsen-Anhalt 34 (2023) 1/2, Seite 24ff

Leider hat sich durch nachträgliche juristische Erkenntnisse ein Fehler in dem Artikel „4. Ethiktag am UKH – Wer entscheidet über die medizinische Versorgung, wenn ich es selbst nicht mehr entscheiden kann?“ aus dem Ärzteblatt Sachsen-Anhalt 34 (2023) 1/2 bemerkbar gemacht. Hier steht im Info-Kasten zum Ehegattennotvertretungsrecht auf Seite 26: „Gültige Ehe (CAVE: Lebenspartnerschaft nach LPartG reicht nicht aus!)“.

Richtigerweise ist dies wegen einer umfassenden Verweisung in § 21 LPartG allerdings doch der Fall – sodass es an diesem Punkt heißen muss „Gültige Ehe oder Eingetragene Lebenspartnerschaft (nach LPartG)“.
Wir bitten dies zu entschuldigen.

Das neue Ehegattenvertretungsrecht

Wichtige Änderungen ab 01.01.2023:

Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechtes vom 04.05.2021 tritt am 01.01.2023 in Kraft. Im Rahmen dieses Gesetzes wurde im § 1358 BGB eine Regelung aufgenommen, welche den Ehegatten in einer Notsituation für den Bereich der Gesundheitssorge ein gegenseitiges Vertretungsrecht einräumt. Wichtig hierbei ist, dass diese Regelung nur zur Anwendung kommt, wenn die Ehegatten (noch) keine Regelung zur Vertretung im Krankheitsfall getroffen haben. Bisher verhielt es sich so, dass ein Ehegatte den anderen Ehegatten nur vertreten konnte, wenn dieser über eine Vorsorgevollmacht für den anderen Ehegatten verfügte, die Regelungen zur Gesundheitsvorsorge enthielt oder wenn der Ehegatte vom Betreuungsgericht zum Betreuer des anderen Ehegatten für den Bereich der Gesundheitsfürsorge bestellt wurde.

§ 1358 BGB normiert, dass für den Fall, dass ein Ehegatte aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls seine eigenen Angelegenheiten gegenüber Ärzten, der Krankenkasse, einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung nicht allein regeln kann, der andere Ehegatte für ihn im engen Rahmen tätig werden darf.

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Neue Regelungen für Arbeitsverträge von MFA und angestellten Ärzten

Ab dem 01.08.2022:

Zum 01.08.2022 sind die Änderungen des Nachweisgesetzes (NachwG), des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in Kraft getreten.
§ 2 NachwG statuiert die Verpflichtung des Arbeitgebers, die wesentlichen Vertragsbedingungen in einer Niederschrift festzuhalten. Dies kann entweder im Arbeitsvertrag oder in einem gesonderten, zusätzlichen Dokument erfolgen.

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