Aus aktuellem Anlass möchte die Ärztekammer noch einmal zur Verpflichtung des Arztes zur Aufbewahrung der Patientenunterlagen ausführen. Im zugrundeliegenden Fall hat ein Kammermitglied die Praxis im Jahr 2018 verkauft und die Unterlagen an den Nachfolger zur Aufbewahrung übergeben. Zuvor wurden alle Unterlagen, die vor dem Jahr 2008 erstellt worden sind, vernichtet. Irrtümlich ging das Kammermitglied davon aus, dass alle Unterlagen, die beim Eintritt ins Rentenalter älter als zehn Jahre gewesen seien, entsorgt werden dürfen.
Nach § 10 Absatz 4 der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt (BO) hat der Arzt nach Aufgabe der Praxis seine ärztlichen Aufzeichnungen und Untersuchungsbefunde aufzubewahren oder dafür Sorge zu tragen, dass sie in gehörige Obhut gegeben werden. Die Aufbewahrungsfrist wird im § 10 Absatz 3 BO geregelt, wonach ärztliche Aufzeichnungen für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren sind, soweit nicht nach gesetzlichen Vorschriften eine längere Aufbewahrungspflicht besteht. Welcher Zeitpunkt dies ist, bedarf einer Entscheidung im Einzelfall.
Im zugrundeliegenden Fall hätte das Kammermitglied keine Unterlagen von Patienten vernichten dürfen, die sich auch noch nach 2008 in der Weiterbehandlung befunden haben und deren Behandlung noch nicht abgeschlossen gewesen ist. Der Abschluss der Behandlung ist damit der entscheidende Zeitpunkt für den Beginn der Frist zur Aufbewahrung. Ist ein Patient wegen desselben Leidens dauerhaft in Behandlung, bspw. wegen Bluthochdruck, war der Therapieerfolg somit im Laufe der gesamten Behandlung nicht eingetreten. Vielmehr begann die 10-jährige Aufbewahrungsfrist erst mit dem Zeitpunkt, zu welchem das Kammermitglied in den Ruhestand getreten ist, es sei denn das Behandlungsverhältnis wurde bereits zuvor beendet, weil der Patient bspw. nicht mehr wiedergekommen, verstorben oder verzogen ist. Ärzte, die entgegen der geltenden Aufbewahrungsfristen Unterlagen entsorgen, verstoßen gegen ihre berufsrechtliche und zivilrechtliche Pflicht. Zudem besteht für den Arzt die Gefahr, dass der Patient zivilrechtliche Ansprüche geltend macht. Denn die Verpflichtung zur Aufbewahrung der Krankenakte ergibt sich nicht nur aus der Berufsordnung, sondern ist auch eine zivilrechtliche Nebenpflicht aus dem mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrag und wurde durch das Patientenrechtegesetz im § 630 f des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) normiert.
Eine Übersicht über die geltenden Aufbewahrungsfristen ist auf der Webseite der Ärztekammer zu finden unter www.aeksa.de > Arzt > Arzt und Recht.
Ass. jur. K. Olsen