I. Warum ist zu dokumentieren?

Die Dokumentation ist sowohl Vertragsarztpflicht, deren Nichtbeachtung Disziplinarverfahren bis zum Entzug der Kassenzulassung und eine Leistungsverweigerung der KV zur Folge haben kann (Beispiel: Fehlende Substantiierung hausärztlicher EBM-Abrechnung), als auch in den Heilberufe- und Kammergesetzen festgelegte und im Patientenrechtegesetz spezifizierte Pflicht zur Sicherung der Behandlung, um jederzeit den Status quo des Patienten abzurufen und um Behandlungsmaßnahmen nachzuweisen.

Zudem bietet die Dokumentation die einmalige Gelegenheit, eine ordnungsgemäße Behandlung nachzuweisen. Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte nicht aufbewahrt, vermutet das Patientenrechtegesetz, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat. Die Grundregel lautet: Was an dokumentationspflichtigen Vorgängen nicht dokumentiert ist, hat auch nicht stattgefunden.

II. Was ist zu dokumentieren?

Das Patientenrechtegesetz (§ 630f Abs. 2 BGB) bestimmt zur Dokumentation: Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen. Um notwendige Dokumentationen nicht zu vergessen, sollte man sich eine Dokumentationsroutine aneignen (Checkliste 1).

III. Wie ist zu dokumentieren?

Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen. Und der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen. Zum „Wie“ gehört letztlich auch die Verpflichtung, dem Patienten Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen (und dies zu vermerken). Wie bei jedem neuen Gesetz gilt auch für das Patientenrechtegesetz: Auslegungsfragen werden irgendwann durch Gerichte entschieden. Unter dieser Voraussetzung kann man sich aber auch heute schon auf die sichere Seite bringen (Checkliste 2).

IV. Einsichtsrecht des Patienten

Nach § 630g BGB ist dem Patienten auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte
zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen. Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten. Im Fall des Todes des Patienten stehen diese Rechte zur Wahrnehmung vermögensrechtlicher Interessen den Erben zu. Gleiches gilt für die nächsten Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen geltend machen. Diese Rechte sind ausgeschlossen, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht.

Auch hinsichtlich dieser Regelung wird es möglicherweise zukünftige Gerichtsentscheidungen geben, die streitige Interpretationen klären. Festzuhalten ist folgendes:

•    Unverzüglich bedeutet nach § 121 Abs. 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern.
•    Vollständig bezieht sich dem Wortlaut nach auch auf persönliche Eindrücke und subjektiven Bewertungen. Bisher wurden diese nicht als Inhalt der Patientenakte angesehen, so dass sie vorenthalten und auf Kopien geschwärzt werden durften.
•    Grundsätzlich ist alles, was Eingang in die Patientenakte gefunden hat, dem Patienten auch vorzulegen. Alle einer Offenlegung entgegenstehenden Umstände sind jetzt Ausnahmetatbestände und müssen gut begründet und nachvollziehbar dargelegt werden. So werden „therapeutische Gründe“ nur in schwerwiegenden Fällen die Verweigerung einer Einsichtnahme begründen können (Beispiel: Gefährdung des Patienten) und sich nicht zwangsläufig auf die gesamte Patientenakte beziehen. Es wird darauf ankommen, transparent zu machen, welche Gründe für die Erwartung einer Gefährdung ausschlaggebend waren.
•    Nach §§ 630 g I 1 Satz 2, 811 BGB besteht der Anspruch auf Einsichtnahme an dem Ort, an welchem sich die einzusehenden Unterlagen oder Dokumente befinden (Praxis oder das Krankenhaus).
•    Die Patientenakte ist Eigentum des Behandelnden. Für Kopien gilt: Der Patient hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten. In Anlehnung an das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz erscheinen pro Kopie 0,50 € und ab der 50. Kopie: 0,15 € je Kopie angemessen, bei aufwendigen Kopien z. B. von Röntgenbildern u. ä. auch die tatsächlichen höheren Kosten.
•    Die digitale Herausgabe sollte nur in einem unveränderbaren Format erfolgen. Cave: Wechseldatenträger des Patienten sind ein Sicherheitsrisiko und sollten nicht verwendet werden. Auch die Versendung vertraulicher Unterlagen per E-Mail ist riskant.
•    Bei Einsichtsverlangen der Erben sollte man sich zum Nachweis der Berechtigung den Erbschein vorlegen lassen.
•    Der beauftragte Patientenanwalt bedarf einer Anwaltsvollmacht einschließlich der Übertragung des Einsichtsrechts und einer Schweigepflichtenbindungserklärung.
•    Für das Verlangen, eine eidesstattliche Versicherung zu Vollständigkeit, Lückenlosigkeit und Authentizität der Patientenakte abzugeben, besteht keine gesetzliche Grundlage.
•    In § 630e II 2 S. 2 BGB heißt es: „Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen.“ Grundsätzlich sind also Kopien für den Patienten zu fertigen. Eine entsprechende Kostenerstattung ist nicht vorgesehen. Alternativ sehen einige Aufklärungsbögen von Fachverlagen bereits einen Durchschlag für den Patienten vor. Ob ein grundsätzlich möglicher Verzicht des Patienten sinnvoll ist, muss bezweifelt werden. Schon lange vor dem Patientenrechtegesetz konnte der Autor in einer internen Feldstudie feststellen, dass in Krankenhäusern die Überlassung von Kopien spätere Aufklärungsrügen gegen Null tendieren ließ. Der Patient hatte jetzt die Unterlagen zuhause und konnte sich den wesentlichen Inhalt der Aufklärung vergegenwärtigen. Somit diente und dient die Überlassung der Aufklärungsformulare auch dem Schutz des Behandelnden.

Rechtsanwalt Patrick WeidingerRechtsanwalt Patrick Weidinger
Abteilungsdirektor der Deutschen
Ärzteversicherung
Mail: Patrick.Weidinger@
Aerzteversicherung.de