Aus der Fallsammlung der Norddeutschen Schlichtungsstelle
Kasuistik
Eine 42-jährige Patientin ließ unter der Diagnose „Höckerlangnase“ eine offene Rhinoplastik „modifiziert nach Joseph“ durch einen Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie durchführen. Mit dem erreichten Ergebnis zeigte sich die Patientin nicht zufrieden, sodass am 18. November ein Korrektureingriff durchgeführt wurde. Unter der Diagnose „Zustand nach offener Rhinoplastik“ wurde eine „Alabasenresektion und Muskeldurchtrennung“ durchgeführt. Der letzte Eintrag zur ambulanten Nachsorge dokumentierte ein reizloses Ergebnis.
Beanstandung der ärztlichen Maßnahmen
Die Patientin führt aus, dass die vereinbarten Operationsziele nicht erreicht worden seien. Insbesondere sei die vereinbarte Erhöhung der Nasenspitze nicht durchgeführt worden. Auch bestünde weiterhin eine Asymmetrie der Nasenlöcher. Zudem sei nach dem zweiten Eingriff eine Behinderung der Nasenatmung hinzugetreten. Der Eingriff sei ohne Aufklärung durchgeführt worden. Insbesondere sei nicht über den Aspekt der möglichen Atemwegsbehinderung informiert worden.
Stellungnahme des Arztes
Er habe die Patientin nach angemessener Beratung fehlerfrei operiert. Alle wesentlichen Operationsziele seien spätestens nach dem zweiten Eingriff erreicht worden.
Gutachten
Der von der Schlichtungsstelle beauftragte externe Gutachter, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, führt zunächst aus, dass die dokumentierte präoperative Befunderhebung zu kritisieren sei. Nach schrittweiser Analyse des vorliegenden Operationsberichts kommt der Gutachter darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass der durchgeführte Eingriff nicht dazu geeignet gewesen sei, die Beschwerden der Patientin zu beheben. Dies träfe auch auf den Korrektureingriff zu. Im Gegenteil habe der Korrektureingriff eher zu einer Verschlechterung der sowieso schon beklagten Situation geführt.
Bedingt durch die falsche Technik, insbesondere bei der Abtragung des Nasenrückens, sei es zu einer sogenannten Papageienschnabeldeformität gekommen. Zudem sei die seitens der Patientin geklagte postoperative Atemwegsbehinderung durch die im OP-Bericht beschriebene Technik der Verschmälerung der knöchernen Nasenpyramide entstanden. Insbesondere sei deswegen davon auszugehen, weil präoperativ keinerlei Atemwegsbehinderung dokumentiert wurde und nach Angaben der Patientin auch nicht vorhanden gewesen sei.
Zwar könne eine Atemwegsbehinderung auch bei völlig richtigem ärztlichem Handeln auftreten. Dennoch seien die beiden dokumentierten Eingriffe an keiner Stelle dazu geeignet gewesen, die Atemwege – in welcher Form auch immer – zu öffnen beziehungsweise zu stabilisieren. Im Gegenteil sei es durch die dokumentierten Eingriffe zu einer deutlichen Risikoerhöhung für eine postoperative Atemwegsbehinderung gekommen. Dieses Risiko habe sich schlussendlich realisiert.
Über das Risiko einer Atemwegsbehinderung sei nicht aufgeklärt worden. Alternative Techniken hätten dieses Risiko deutlich minimiert. Die festgehaltene Atemwegsbehinderung sei allein auf die durchgeführte Behandlung zurückzuführen.
Stellungnahmen des Arztes
Ärztlicherseits wird ausgeführt, dass eine nachoperative Atemwegsbehinderung eine typische Komplikation sei, über die die Patientin aufgeklärt worden sei.
Entscheidung der Schlichtungsstelle
Die Schlichtungsstelle hat sich dem Gutachten im Ergebnis angeschlossen. Die dokumentierten Eingriffe waren nicht dazu geeignet, die Wünsche der Patientin zu erfüllen. Insbesondere aber ist es durch die Eingriffe, die technisch nicht richtig durchgeführt wurden, zu einer Atemwegsbehinderung gekommen, die vor den Eingriffen nicht vorgelegen hat.
Im Einzelnen beschreibt der Gutachter dabei folgende Fehler:
- Nicht ausreichende Stabilisierung der Projektion der Nasenspitze mit folgender Atemwegsbehinderung;
- Durchtrennung der seitlichen Flügelknorpel mit folgender Destabilisierung des inneren Nasenventils;
- Falsche Osteotomien mit konsekutiver Verengung der Nasengänge;
- Falsche/nicht indizierte Verschmälerung der Nasenbasis
Bezüglich der erhobenen Aufklärungsrüge gilt, dass sich der Schadensersatzanspruch aus dem dargelegten Behandlungsfehler ergibt. Hierüber war nicht aufzuklären, weil ärztliche Behandlungsfehler zu unterbleiben haben und nicht durch Aufklärung zu bewältigen sind. Der Aufklärung unterliegt lediglich das allgemeine Risiko, das mit einer kunst- und sachgerecht ausgeführten ärztlichen Behandlung verbunden ist. Dieses Risiko hat sich nicht verwirklicht, weil es durch den festgestellten Behandlungsfehler überlagert worden ist. Ein etwaiger Aufklärungsmangel ist vorliegend, weil durch den nachfolgenden Geschehensverlauf überholt, nicht kausal geworden (vergleiche hierzu OLG Zweibrücken VersR 99,719).
Fazit
Nasenoperateure, egal welcher Fachrichtung, sollten neben den ästhetischen immer auch die funktionellen Aspekte eines Eingriffs an der Nase bewerten. So können kleine Änderungen am knorpeligen oder knöchernen Nasenskelett gegebenenfalls zu optischen Verbesserungen führen, aber gleichzeitig die Funktion der Nase erheblich beeinträchtigen (und umgekehrt). Daher sollten bei einem Eingriff an der Nase immer beide Aspekte in der Planung berücksichtigt werden. Über beide Aspekte muss mit den Patienten sorgfältig gesprochen werden, damit diese in die Lage versetzt werden, eine durch gute Beratung gestützte Entscheidung zu treffen.
Verfasser: Dr. med. Sixtus Allert
Ärztliches Mitglied der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen;
Ass. jur. Kerstin Kols
Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen
Hans-Böckler-Allee 3
30173 Hannover
Tel.: 0511/35 39 39-10 oder -12
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