Am 15.10.2020 ist das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Personen mit einer psychischen Erkrankung des Landes Sachsen-Anhalt (PsychKG LSA) mit Ausnahme der Vorschriften zur Einrichtung der gemeindepsychiatrischen Verbünde; der Psychiatrie-koordinatoren/-innen und der Psychiatrischen Versorgungsstrategie in Kraft getreten.
Das bisher geltende PsychKG des Landes Sachsen-Anhalt bedurfte einer Überarbeitung, da es seit dessen Inkrafttreten im Februar 1992 zahlreiche Neuerungen in der Gesetzgebung und Rechtsprechung gab. Im Rahmen dieses Beitrages sollen kurz die wesentlichen Änderungen dargestellt werden.
Erweiterte Aufklärungspflichten
§ 21 PsychKG LSA verpflichtet den aufnehmenden Arzt oder die aufnehmende Ärztin die unterbrachte Person mit einer psychischen Erkrankung umfassend über ihre Rechtsschutzmöglichkeiten aufzuklären. Die Aufklärung über die Rechte und Pflichten und die Rechtsfolgen der Unterbringung sowie den gerichtlichen Rechtsschutz hat unverzüglich, in geeigneter Form und in einer der untergebrachten Person verständlichen Sprache zu erfolgen. Darüber hinaus ist die Aufklärung zu dokumentieren.
Zwangsbehandlung
§ 24 PsychKG LSA regelt, was unter einer Zwangsbehandlung zu verstehen ist und welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine Zwangsbehandlung durchführen zu können. Die Zwangsbehandlung darf – mit Ausnahme bei Erste-Hilfe-Maßnahmen – nur auf Anordnung und unter Leitung des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin durchgeführt werden und bedarf der gerichtlichen Anordnung. Der untergebrachten Person mit einer psychischen Erkrankung ist die Anordnung unverzüglich bekannt zu geben und sie ist über ihre Rechtsschutzmöglichkeiten und das weitere Vorgehen zu informieren.
Herausstellung des Selbstbestimmungsrechtes
Das neue PsychKG LSA stellt darüber hinaus das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Person mit einer psychischen Erkrankung heraus, indem zahlreiche Vorschriften die Einwilligung der Person mit psychischer Erkrankung fordern, so z. B. bei der Mitteilung von getroffenen Feststellungen; der Weitergabe von Behandlungsempfehlungen und der Mitteilung/Weitergabe von Untersuchungsbefunden. Zudem ist eine wirksame Patientenverfügung von Anfang an bei allen Hilfe- und Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen.
Allgemeine Vorschriften
Die allgemeinen Vorschriften über die Schutzmaßnahmen einschließlich des Vollzuges der gerichtlichen Entscheidungen über die Unterbringung, die vormals im § 7 niedergelegt waren, wurden weitestgehend beibehalten und befinden sich nunmehr im § 11 PsychKG LSA. Es wurde ergänzend aufgenommen, dass für den Fall, dass aus- oder weitergebildete Ärzte nicht zur Verfügung stehen, für die ärztlichen Aufgaben bei der Durchführung von Schutzmaßnahmen auch Notärztinnen und Notärzte herangezogen werden können.
Behandlungsplan
Zu beachten ist ferner, dass der Behandlungsplan, der vormals im § 17 Abs. 2 PsychKG LSA normiert war, umfassend ausgestaltet wurde. Der Behandlungsplan ist in den ersten beiden Behandlungstagen nach der Aufnahme zu erstellen und entsprechend dem Gesundheitszustand der untergebrachten Person laufend zu überprüfen und fortzuschreiben.
Der Behandlungsplan hat auf die persönliche und individuelle Situation der untergebrachten Person mit einer psychischen Erkrankung abzustellen. Die Aufklärungspflichten nach § 21 Abs. 1 PsychKG LSA finden auch auf den Behandlungsplan Anwendung.
Begriff der Unterbringung/Vollzug der Unterbringung
Der Begriff der Unterbringung wurde modifiziert. Nach dem bisherigen PsychKG LSA war die Unterbringung als Einweisung und das Verbleiben in einem „abgeschlossenen Teil“ eines Krankenhauses normiert.
Nunmehr wird bezüglich der Einweisung und des Verbleibens auf das Krankenhaus nach § 16 Abs. 1 PsychKG LSA abgestellt. Die Unterbringung soll so weitgehend wie möglich, in offenen Stationen durchgeführt werden, um die Krankensituation der untergebrachten Person und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen.
Neu geregelt ist der Vollzug der Unterbringung in „geeigneten“ Krankenhäusern des Landes sowie in vom Land beauftragten Krankenhäusern anderer Träger. Es wird in § 16 Abs. 2 PsychKG LSA festgeschrieben, wie die Krankenhäuser, in denen die Unterbringungsmaßnahmen vollzogen werden, ausgestattet sein müssen und wofür diese Gewähr zu bieten haben.
Fixierung, Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Mittel
Im neu gefassten § 27 PsychKG LSA wurde das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.07.2018 zu den Az: 2 BVR 309/15 und 2 BVR 502/16 umgesetzt.
§ 27 PsychKG LSA bestimmt, dass eine Fixierung und jede Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Mittel nur ausnahmsweise und dann zulässig ist, wenn und solange die gegenwärtige erhebliche Gefahr besteht, dass die untergebrachte Person mit einer psychischen Erkrankung sich selbst tötet oder sich schwerwiegende gesundheitliche Schäden zufügt oder gewalttätig wird oder dadurch andere Personen oder Sachen erheblichen Wertes schädigt. Darüber hinaus ist als weitere Voraussetzung hervorzuheben, dass die Gefahr nicht anderweitig abgewandt werden kann; insbesondere durch mildere Mittel.
Ist absehbar, dass die Maßnahme nicht nur kurzfristig ist oder dass die Maßnahme nicht vor Erlangung der richterlichen Entscheidung beendet sein wird, bedarf es einer gerichtlichen Anordnung. Eine Maßnahme ist dabei kurzfristig, wenn sie absehbar eine Dauer von einer halben Stunde nicht überschreiten wird.
Aufgrund der Schwere des Eingriffes wurde gesetzlich verankert, dass während der Durchführung der Maßnahmen nach § 27 Abs. 1 grundsätzlich eine Eins-zu-Eins-Betreuung und Überwachung durch dazu ausgebildetes Personal zu gewährleisten ist. Die Art der Betreuung und die Überwachung sind entsprechend zu dokumentieren.
Der Begriff der „Beurlaubung“ und die Regelungen zum Urlaub wurden durch den Begriff „Therapeutische Belastungserprobung außerhalb der Klinik während einer stationären Unterbringung“ und die in § 32 PsychKG LSA hierzu festgelegten Vorschriften ersetzt und ergänzt.
Eine Ergänzung zur bisherigen „Beurlaubung“ besteht darin, dass die Erreichbarkeit der untergebrachten Person während der Belastungserprobung gewährleistet sein muss.
Einrichtung von Patientenfürsprechern/Patientenfürsprecherinnen
Das neue PsychKG LSA sieht die Einrichtung von ehrenamtlichen Patientenfürsprechern/-innen durch die Landkreise und kreisfreien Städte zur Wahrung der Rechte der Personen mit einer psychischen Erkrankung vor.
Zugleich werden die Aufgabe der Patientenfürsprecher/-innen als Ansprechpartner und Interessenvertreter für die Personen mit einer psychischen Erkrankung definiert. Hierdurch soll die Vorgabe der UN-Behindertenrechtskonvention, welche die Einrichtung von Beschwerdestellen für Personen mit einer psychischen Erkrankung gefordert hat, umgesetzt werden.
Bildung gemeindepsychiatrischer Verbünde
In den §§ 7 und 8 PsychKG LSA wurde neu die Bildung von gemeindepsychiatrischen Verbünden und die Einrichtung von Psychiatriekoordinatoren/-innen geregelt. Ziel ist es, eine bedarfsgerechte, gemeindenahe, vernetzte psychische Versorgung sicherzustellen. Hierzu wird klargestellt, dass die gemeindepsychiatrischen Verbünde durch die Psychiatriekoordinatoren/-innen unterstützt werden.
Diese beraten den Landkreis oder die kreisfreien Städte hinsichtlich der Weiterentwicklung der psychischen Versorgungsstruktur und organisieren die Hilfsangebote für Personen mit einer psychischen Erkrankung.
Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung
Mit der Einführung der Datenschutzgrundverordnung ist diese in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und damit auch in den Landesgesetzen des Landes Sachsen-Anhalt zu beachten. Aus diesem Grunde wurden in § 42 PsychKG die entsprechenden Querverbindungen eingearbeitet. Aufgrund der Sensibilität und Schutzwürdigkeit der personenbezogenen Daten von Personen mit einer psychischen Erkrankung wurden zudem die Voraussetzungen, unter denen eine Verarbeitung der Daten zulässig ist, angehoben.
Fazit
Die Überarbeitung des PsychKG LSA war insbesondere aufgrund der neu in Kraft getreten Datenschutzgrundverordnung und der Umsetzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich. Das neue PsychKG LSA wird jedoch mit einem erhöhten personellen und finanziellen Aufwand durch die gesteigerten Aufklärungs-, Dokumentations- und Informationspflichten einhergehen.
Ass. jur. Corinna Rutz