Leserbrief von Dr. Edward Syska-Feller zum Artikel im Ärzteblatt Sachsen-Anhalt im Heft 3/2014, S. 81f

Zweifelsfrei ist ein weiterer behandelnder Arzt verpflichtet, Arztbriefe aufmerksam zu lesen und daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Aber – reicht es, einen Malignomverdacht im Nebensatz mitzuteilen?

Ist es das Leben eines Menschen wert, es der Sicherheit eines einfachen Briefes auf dem Postweg zu überantworten? Was wäre, wenn dieser Brief seinen Adressaten nie erreicht hätte? Was wäre, wenn der Krankenhausarzt diesen Befund nicht kannte, weil der Röntgenbefund von der Sekretärin als Textbaustein in den Brief eingeschoben wurde? Wie oft kommen Entlassungsbriefe aus dem Krankenhaus erst mit erheblicher Verspätung oder nie zum Adressaten? Wer hat sie erstellt und unterschrieben? Und – welche Qualität haben sie?
Diese Situation zeigt sehr deutlich das Dilemma, in dem sich die Medizin unseres Landes befindet. Es muss doch möglich sein, einen als „Nebenbefund“ erhobenen Malignomverdacht so vorrangig kenntlich zu machen, dass er der Aufmerksamkeit nicht entgehen kann.
Es ist müßig, über Arbeitsbelastungen auf beiden Seiten zu sprechen. Wir müssen begreifen, dass wir inzwischen ökonomische und personelle Sachzwänge vorschieben, um ein solches Ereignis zu erklären!

Die ungesunde Entwicklung unseres Gesundheitssystems und der anhaftenden Rechtsprechung führt nicht zu einer Verbesserung der Fehlererkennung. Vielmehr wird vermieden, offen über die Probleme zu sprechen, die zu solchen Ereignissen führen. Deshalb müssen wir an uns alle appellieren, dass im Zentrum unserer Bemühungen ein Mensch steht und dass wir für sein Leben verantwortlich sind.

Dr. Edward Syska-Feller,
Halle (Saale)