Leserbrief von Prof. Dr. Frank P. Meyer zu den Beiträgen im Ärzteblatt Sachsen-Anhalt im Heft 3/2014, S. 70 ff

Sehr geehrte Frau Dr. Heinemann-Meerz,

die Kontroverse zum „Zauberwort NOAK“ in Heft 3/2014 unseres Ärzteblatts war in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich und darüber hinaus dringend erforderlich.
Die Debatte zu diesem Thema wurde m. E. von Jessica L. Mega (Boston) mit dem Editorial „A new Era for Anticoagulation in Atrial Fibrillation“ (N Engl J Med 2011; 365: 1052-1054) eingeleitet.

Es geht aber bei den vielfältigen Diskussionen nicht nur um Vitamin-K-Antagonisten (VKA) auf der einen Seite und NOAK (Dabigatran, Apixaban, Rivaroxaban) auf der anderen Seite, sondern auch um die Erfüllung des Behandlungsstandards – und der kann durchaus unterschiedlich interpretiert werden, wie wir gesehen haben.
Für die universitären Kardiologen ist „eine Neueinstellung in der Regel mit einem NOAK“ natürlich sinnvoll, wobei in erster Linie auf die Praktikabilität verwiesen wurde. Da sich die Patienten sowieso nur wenige Tage in der Klinik befinden, kann man sich „die Mühsal regelmäßiger INR-Kontrollen“ ersparen. Die tägliche Tablettenapplikation dürfte in der Regel zu gewährleisten sein und Kosten spielen kaum eine Rolle, wenn der Universitäts-Apotheker gut verhandelt ….
So weit also die „reine Lehre vom Katheder“ aus Halle und Magdeburg. Dagegen kommentieren Dr. Karl und seine Kollegen: „Im Ausnahmefall NOAK.“
Ich frage mich natürlich, warum die Fachärzte für Allgemeinmedizin, die ihre Patienten nicht 14 Tage, sondern eher 14 Jahre und länger behandeln müssen, nicht auch das einfache Vorgehen – 1 oder 2 Tabletten täglich – bevorzugen: Warum plädieren sie für den umständlichen Weg mit aufwendigen Arztbesuchen, Laboruntersuchungen, Führung des Gerinnungspasses, der wohl eher zu betriebswirtschaftlichen Verlusten führt? Ist es die Angst vor dem Risiko eines Arzneimittel-Regresses, da die Tagestherapiekosten von NOAK knapp 20mal höher sind als die von Falithrom? Sind es belastende Erfahrungen aus der Vergangenheit, in der sich hoch gelobte Innovationen oft als „Flops“ erwiesen oder günstigenfalls keinen Zusatznutzen hatten? Ist es der Respekt vor den Patienten, da Nebenwirkungen oft erst nach mehrmonatiger Einnahme auftreten?

Ich hätte mir gewünscht, dass die Autoren des Schlusswortes, vor allem der Klinische Pharmakologe Prof. Presek, die Bedenken der Hausärzte ernster genommen hätten.
Aber vielleicht war dieser „Schlagabtausch“ nur der Beginn eines konstruktiven Dialogs im Interesse der Patienten.

Bis dahin sollte man wohl den Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) folgen: NOAK können eine Option sein für Patienten, (i) die mit VKA schwer einzustellen sind, (ii) mit einem erhöhten Risiko für Arzneimittel- und Nahrungsmittelinteraktionen unter VKA, (iii) für die eine regelmäßige Kontrolle der INR-Werte schwierig ist. Zurückhaltung ist angesagt bei Patienten > 75 Jahre, für Patienten mit Niereninsuffizienz, mit unsicherer Adhärenz und bei zusätzlicher Gabe von Thrombozyten-Aggregationshemmern.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Frank P. Meyer,
Wanzleben-Börde