Aufland Verlag Croustillier 2013, ISBN 978-3-944869-00-1,
Broschur im Oktavformat, s.-w, illustr., 164 S., € 18,-
Die große Überschrift zu der kleinen Sammlung themenbezogener Beiträge ist der Begriff der Landschaft. Die Autorin ist Professorin für Landschaftsplanung an der TU Dresden. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt bei den Entwicklungspotentialen von Kulturlandschaften mit dem Blick auf Tendenzen des Wandels und auf künftige Herausforderungen. Die Leiterin des Instituts für Landschaftsarchitektur unternahm 2011 im Rahmen eines Forschungssemesters eine weitgreifende Reise in den Pazifik, nach Australien und Neuseeland und nach Ostafrika. Sie suchte Savannen und Halbwüsten, Gletscher und Vulkane, Agrar- und andere Kulturlandschaften auf, sämtlich Gebiete mit den Anzeichen des Wandels, der Transformation kultureller, biologischer oder tektonischer Art. Sie spürte für den Leser überraschende Einflussfaktoren auf, verdeckte und offensichtliche.
Das in guter Materialqualität und ansprechendem Design vorliegende Buch ist unterteilt in die Abschnitte (Essays) mit den bezeichnenden und neugierig machenden Titeln:
- Eine Fliege macht Landschaft. Vom Kleinen, das große Wirkung hat.
- James Cook und die Hühner von Kauai. Wie man Landschaft aus-tauscht, ohne dass es auffällt.
- Das Paradiesprinzip. Idealbilder einer Landschaft im Wandel.
- Froschkönig in Übersee. Vom Umgang mit Bioinvasion.
- Africa made in...? Landschaft geht durch den Magen.
- Unsichtbare Landschaften. Wie man Landschaften unter die Haut schaut.
- Heißer Draht ins Innere. Vom Umgang mit Naturkräften.
Dem Mediziner wird besonders der erste Essay interessieren. Er handelt von der Schlafkrankheit bzw. deren Überträgerin, der Tsetsefliege, die jeglichem Versuch einer umfassenden Vernichtung durch Änderungen der Landschaft widerstanden hat. Der Mensch geht ihr am klügsten aus dem Wege. Sie hat aber letztlich mit zur Einrichtung großer Naturschutzgebiete beigetragen, des Serengeti-Nationalparks in Tansania zum Beispiel. Noch der im Auftrag der Kolonialmacht Deutschland reisende Robert Koch wollte durch Isolierung der Erkrankten in Konzentrationslagern die Ausbreitung der Krankheit verhindern! Man erfährt etwas über Therapieversuche am Menschen, über die für Tsetsefliegen unsichtbaren Zebras, über den Nutzen der bunten afrikanischen Kleidung, über den Sinn der Tagesdunkelheit in den Hütten und vieles andere Hochinteressante mehr. Auch die folgenden Essays weisen natürlich den Bezug zur Landschaft und deren Wandel durch scheinbar kleine menschliche Eingriffe mit großen Folgen auf. Millionenfach vermehrte, giftspeiende Aga-kröten und Kaninchen auf dem Fünften Kontinent sind beredte Beispiele dafür. Wildlebende freie Hühner auch, deren Vorfahren auf der Hawaii-Insel Kauai noch für den Verzehr in Farmen eingesperrt waren; sie prägen inzwischen die Identität dieses Eilandes in der Südsee. Zur Frage nach unserer aktuellen Vernetzung mit dem Thema gibt die Autorin anhand der gravierenden Veränderung in der Agrokultur Afrikas recht anschaulich zu bedenken:
„Da betätigt man also eine Zapfsäule in Deutschland und meint zu tanken, aber man tankt nicht nur, sondern startet zugleich eine unsichtbare Fernbedienung, die anderswo ein Stück Landschaft verwandelt, beispielsweise bei den Tsemays in Südäthiopien“.
Catrin Schmidts reflektierte Reisebeobachtungen eröffnen dem Leser einen Blick ins Globale. Man begreift bei der Lektüre, dass Landschaft etwas anderes oder mehr ist als das Panorama vor der Frontscheibe. Lesenswert für Leute, die vor dem Nachdenken nicht zurückschrecken!
F.T.A. Erle, Magdeburg