PD Dr. med. habil. Robert Rohrberg

Verabschiedung in den Ruhestand:
PD Dr. med. habil. Robert Rohrberg

Privatdozent Dr. med. habil. Robert Rohrberg aus Halle gehörte nach 1989 zu den Wegbereitern einer ambulanten Tumortherapie im Osten der Republik.

Erst kürzlich hat er sein Zimmer in der Praxis ausgeräumt. Die letzten Notizen verstaut, und seinen alten Bürostuhl abtransportiert. Privatdozent Dr. Robert Rohrberg, Facharzt für Innere Medizin und Spezialist für Hämatologie und Onkologie, verabschiedet sich in den Ruhestand. Damit endet ein Berufsleben, das in zwei Systemen gespielt hat, und in dem es Erfolge, Veränderungen und auch Brüche gab. „Ich habe Stoff für drei Leben“, sagt der Mediziner. Wirft man einen Blick auf das, was der 65-Jährige in Halle geschaffen hat, scheint diese Einschätzung kaum übertrieben. Denn inzwischen ist das von ihm initiierte ambulante Behandlungszentrum für Tumorerkrankungen eine Instanz. 20 Mediziner und etwa 100 Angestellte kümmern sich dort um die Patienten.

„Ich bin mit dem Ziel angetreten, eine Behandlung anzubieten, die nicht schlechter ist als die in einer Klinik“, sagt Rohrberg. Was sich heute nach Normalität anhört, nämlich, dass Tumorpatienten zum größten Teil ambulant behandelt werden können, war zu Beginn der 1990er Jahre zumindest im Osten der Republik noch undenkbar. Es fehlte an allem. „Vieles kann man sich heute nicht mehr vorstellen“, erinnert sich der Mediziner, der bis zur Wende an der Martin-Luther-Universität beschäftigt war. Dort leitete er die Hämatologische Abteilung der II. Medizinischen Klinik. Nur 36 Betten standen für die Region zur Behandlung von Leukämie- und Lymphom-Patienten zur Verfügung. Das bedeutete auch, den Mangel zu verwalten. Rohrberg: „Wer über 60 war, hatte kaum eine Chance, ein Bett zu bekommen.“ Aus seiner Zeit an der Uni kannte Rohrberg Fachkollegen aus den alten Bundesländern und auch aus dem Ausland, bei denen er hospitierte, um sich Anregungen für sein im Kopf reifendes Großprojekt zu holen: Ein Ärztehaus, in dem Krebspatienten interdisziplinär behandelt werden können. Kurzerhand kaufte er 1991 ein baufälliges Haus. Noch bevor ihm die Banken einen Kredit bewilligten, hatte er bereits Aufträge an Firmen im Wert von einer halben Million D-Mark unterschrieben. Denn Rohrberg wollte schnell arbeitsfähig sein. Bereits im Juli 1993 behandelte er die ersten Krebspatienten in der neuen Gemeinschaftspraxis. „Es war abenteuerlich. Die Treppe war nur halb fertig, der Aufzug funktionierte noch nicht. Eine Patientin, die durch einen Hirntumor nicht mehr laufen konnte, musste ich in die Praxis tragen“, erinnert sich Rohrberg. Überhaupt habe man anfangs gegen viele Widrigkeiten und Widerstände kämpfen müssen. Ein Beispiel: Für die Diagnostik war die Anschaffung medizinischer Großgeräte unerlässlich. Um sie zu betreiben, bedurfte es einer Standortgenehmigung des Ministeriums. „Dort hat man sich mit der Erteilung allerdings viel Zeit gelassen“, so Rohrberg. Eine 70-Stunden-Woche war in jener Zeit völlig normal. Doch der Alltag, der in die Sprechstunde einzog, wurde immer wieder durch Baumängel unterbrochen, um die sich Rohrberg kümmern musste. Nach der Sprechstunde ging es oft noch nach Magdeburg, wo er an den Sitzungen von Kassenärztlicher Vereinigung und Ärztekammer teilnahm. „Es gab noch keine Autobahn. Dadurch konnte es passieren, dass man erst bei Sitzungsende in Magdeburg eintraf“, erzählt Rohrberg, den nach solchen Erlebnissen vor allem sein Durchhaltewillen vorantrieb: „Ich habe gelernt, Dinge zu Ende zu bringen.“ Im Lauf der Jahre wuchs nicht nur die Praxis, auch die Überlebensraten der Patienten stiegen aufgrund besserer subtiler Dia-gnostik und besserer Therapien deutlich an. So sei die Heilungschance etwa beim fortgeschrittenen Hodgkin-Lymphom von anfangs unter 10 auf 92 Prozent gestiegen. „Das hat mich beflügelt“, so Rohrberg, der 1949 im Eichsfeld geboren wurde. Noch heute spricht er das Idiom seiner thüringischen Heimat. Und er ist das, was man einen typischen Eichsfelder nennen könnte. Denn der Landstrich, der in der DDR für das Festhalten am katholischen Glauben bekannt war, hat ihn geprägt. „Wähle an Kreuzungen nie den leichteren Weg“ – dieser Spruch galt in seinem Elternhaus. Er hat sich daran gehalten. Auch, wenn es Brüche gab, wie 1992. Damals entschied sich eine Personalkommission gegen seine Berufung zum Uni-Dozenten. „Wegen fehlender persönlicher Eignung“ sollte er stattdessen gekündigt werden. „Das hat mich getroffen“, sagt Rohrberg noch heute. Und das, obwohl sein Entschluss, die Uni zu verlassen, bereits vorher gefallen war. Er wollte den Kündigungsgrund nicht akzeptieren und kämpfte mit Erfolg für seine Rücknahme. „Das war mir wichtig.“

Heute kann er mit einer gewissen Milde auf diese Zeit zurückblicken. „Ich habe es trotzdem geschafft“, sagt er. Pionierarbeit habe er gleistet. Viele seiner Patienten danken ihm das nun am Ende seines Arbeitslebens. Rohrberg hat die Briefe sorgfältig abgeheftet. „Ich weiß meine Patienten in guten Händen“, sagt er. Denn er hat seine Nachfolgerin noch selbst eingearbeitet.

Ines Godazgar
Freie Journalistin