Verlag Janos Stekovics, Wettin-Löbejün 2015, ISBN 978-3-89923-352-0,
reich illustriert mit 280 Abb., gebunden mit Schutzumschlag im Quartformat,
368 Seiten, 39,80 €
„Landschaft ist nichts, was schon immer da war...“ Sie sei Natur und Gestaltung, ohne Endgültigkeit. So steht es in der Legende des beeindruckenden Luftbildes frisch geeggter Felder der besagten Region in diesem Buch (S. 11+12).
Schon 250 Mal hat der Jahreskreislauf der Natur das Gartenreich Dessau-Wörlitz geformt, zusammen mit dem gestalterischen Eifer seiner Gründer und Erhalter. Solch Viertel Jahrtausend gibt Grund zum Feiern, mit einem Fest im März d. J. und mit diesem zum Anlass vorliegenden reichhaltigen Band. Er sei „...eine Huldigung an das Gartenreich Dessau-Wörlitz, diese faszinierende Kulturlandschaft, die seit dem Jahr 2000 durch Entscheidung der UNESCO zum schützenswerten Erbe der Menschheit gezählt werden darf...“, so einleitend der Herausgeber des Buches und Direktor der Kulturstiftung, Dr. Thomas Weiß.
Es dürfte nicht eben zu den einfachen Aufträgen an Verlage zählen, eine Buchkonzeption zu einem Jubiläum zu kreieren, über dessen Objekte in der Vergangenheit bereits vielfach berichtet wurde. Vorweggenommen sei: Es ist hier gelungen!
In neunzehn themenorientierten Kapiteln von sechzehn Autoren werden Beiträge zum Fest der Sinnenfreude, zum Nonkonformismus in Anhalt,
zu Obst, Jagd, Fauna und Flora, zu Gärten und Parks, Landschaft und Geschichte, zu Architektur, zu Stimmungen, zum Genuss ohne Grenzen Bilder und Worte angeboten. Die Texte machen etwa ein Drittel des Gesamtvolumens des Buches aus. Sie befinden sich im übersichtlichen Spaltenlayout, lateral begleitet von sachlich informierenden Bildlegenden zu den Fotografien. Zahlreiche Zitate aus der antiken und der klassischen Literatur unterstützen das Geschriebene. Ein Beitrag stammt von Antje Vollmer, der Theologin und engagierten Politikerin. Für sie ist das Gartenreich „...eine lebensbegleitende große Liebe zu einer Landschaft geworden, die ein Sehnsuchtsort für Suchende bleibt, die sich oft schwertun mit Heimaten und Vaterländern.“
Den größeren Anteil des Bandes machen die Fotografien aus. Sie stammen mehrheitlich aus dem Blick bzw. der Kamera des Verlegers und Fotografen, Janos Stekovics, an sich schon eine Qualitätsgarantie. In speziellen Beiträgen zur Tierwelt und zu den Früchten steuern die Fotografen Thomas Hinsche und Heinz Fräßdorf ihre Professionalität bei, Bilder von großer Schönheit und Seltenheit.
Das Buch fordert in Format (33,5 x 25,5 cm) und Gewicht (3 kg) Beachtung. Es ist kein Park- oder Gartenführer. Dafür ist seine Aufmachung in Bild, Text und Material zu sehr vom Feinsten. Dargestellt werden Park- und Umlandschaften mit hinein komponierten Architektur- und Bildhauerwerken nach dem Gusto des Gründers, des Fürsten und späteren Herzogs Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, im Volksmund Vater Franz geheißen (1740-1817). Er wollte es englisch, nicht barock. Diesem Wunsch können Herausgeber und Verlag offensichtlich nur noch gern folgen. Jahreszeiten, Stimmungen, Spiegelungen, Farbenprächte, Wasserläufe kann man sich Seite für Seite erblättern. Es liegt viel Licht und Farbe zwischen den Buchdeckeln. Die Qualität der Fotografien ist auf den ersten und jeden weiteren Blick bestechend. Manche reichen über beide Seiten des Quartformats ohne einen Schimmer von Auflösungsdefizit. Andere frappieren durch ihre Plastizität und Tiefe, wie das des Dornausziehers (S. 56).
Dass das Coverbild so blau leuchtet, läge an der blauen Stunde, in der es aufgenommen wurde, nicht etwa an einer Bearbeitungs-Software, versichert der Verlag. Diese für ein Gartenreich erst einmal irritierende Farbgebung korrespondiert jedoch, gewollt oder zufällig, mit dem Begriff des Blaubuches, dem Verzeichnis des nationalen Kulturerbes in den neuen Bundesländern, in dem sich neben dem Jubilar u. a. Weimar, Dresden, Halle, Eisenach und weitere Orte wiederfinden, eine illustre Gesellschaft der sog. kulturellen Leuchttürme.Eine Reihe von Bildern wurde von Janos Stekovics aus einem Luftgefährt aufgenommen, eine Perspektive, die der fürstliche Inaugurator der Parks von Wörlitz, Kühnau, Mosigkau etc. in seiner irdischen Existenz nicht kennen lernen durfte. Man muss auch anhand dieser Draufsichten seinem Lebenswerk Respekt erweisen.
Es ist den Machern des Buches wie denen des Gartenreiches gelungen, Natur und Kunst harmonisch zusammenzubringen. Sie geben dem Ranken und Blühen auf ihren Bildern bis in die klassizistischen Räume, deren Wände, Sockel, Decken und Friese ausreichend Platz. Die hochinteressanten Texte und die sie einhüllenden Bilder in den einzelnen Kapiteln entsprechen sich. Sie vermitteln, dass am kleinen Dessauer Hof Schönheit, Stil, Zweckmäßigkeit und ein moderner, der Aufklärung verpflichteter Zeitgeist ihren Eingang fanden. Einer solchen Entwicklung ist es auch zu verdanken, dass in dieser besonderen Kulturlandschaft an Elbe und Mulde heute noch und wieder Seidenreiher, Biber, Seeadler und Wolf ihr natürliches Auskommen haben.
Der abschließende Beitrag zu den kulinarischen Tafelfreuden inkl. Rezepten fügt sich schlüssig in das Gesamtbild ein. Manches Arrangement auf den Tischen einer real existierenden Wörlitzer Wirtschaft, das dem Be-
trachter das Wasser im Mund zusammen laufen lässt, könnte genau so gut in einem holländischen Stillleben zu entdecken sein.
Was ist das für ein Buch? Ganz sachlich – ein Sachbuch! Allerdings ein Prachtbuch, das aus der Spannung zwischen Kreatürlichkeit und Gestaltung seinen Sinn zieht. Braucht man überhaupt so etwas? So sicher, wie die Woche den Sonntag und die Garderobe die Festkleidung! Es ist sehr zum Lesen, Entdecken und Genießen zu empfehlen, auch als repräsentatives Geschenk an offizielle oder private Gäste und freundliche Besucher der Region und des Landes Sachsen-Anhalt. Seine Preisgestaltung bleibt angesichts der Qualität des Werkes ein Rätsel!
F.T.A. Erle, Magdeburg
Fotos: Verlag