In Fotografien von Janos Stekovics und Texten von Karen Michels, Hrsg. Harald Meller
Verlag Janos Stekovics, Wettin-Löbejün 2021, ISBN 978-3-89923-440-4, Leinen geb. m. Schutzumschl., Lexikonformat, reich illustr., 536 S., € 38,-
Als Kranz aus sieben runden Profilbildern, eine Art Rosette mit Sichtfenstern in eine bunte vergangene Wirklichkeit, mit Gesichtern oder anderen kennzeichnenden Details gefüllt. So bietet sich das Coverbild des Buches auf dem vornehmen, tiefschwarzen Schutzumschlag Betrachtern auf den ersten Blick an. Erbstücke sind es, die einem Schatz von zahlreichen Reichtümern des kleinen Bundeslandes Sachsen-Anhalt entnommen wurden. Siebenmal hat die UNESCO bisher daraus Außergewöhnliches als Welterbe autorisiert, ein Beleg für die beachtenswerte Geschichte und Kultur der mitteleuropäischen Heimat um Saale, Harz und Elbe.
Die demonstrierten sieben Erbsachen aus dieser wahren Schatzkiste werden im Buch in einem Gliederungsschema vorgestellt. Es besteht aus einer charakterisierenden Überschrift (z. B.: Auf der Spur der Sterne), gefolgt vom Namen des anerkannten Welterbes (Die Himmelsscheibe von Nebra) und speziell zugeschnittenen Kapitelüberschriften (Der Fundkrimi etc.). Eingebaut in diese Texte haben die Autoren das reiche und vorzügliche Bildmaterial, das offensichtlich mit großer Professionalität und Liebe zur darstellenden Kunst der Fotografie erarbeitet wurde. Vorangestellt wird jeweils eine kurze Erörterung der Frage: Warum Welterbe? Die Antwort darauf ist letztendlich die Begründung zur Aufnahme in die Liste der quasi Adelstitel. Und damit der jeweilige Star des Interesses die Einbettung in seine Kulturlandschaft behält, folgen dem Texthauptteil zum Thema mehrere Ausflüge in die nähere oder weitere historische und gleichzeitig reale Umgebung. Im Kapitel zum Naumburger Dom wären das u. a. die Neuenburg über Freyburg, Kloster Schulpforte und die Burgen an der Saale hellem Strande in bewährter schriftlicher und bildlicher Erschließung. Da dürfen es u. a. auch schon mal Käthe Kruses Puppen in Bad Kösen sein. Perlen am Rande nennen es die Autoren.
Auf diese Art und Weise werden in logischer Reihenfolge nach der Himmelscheibe von Nebra das geschichtsträchtige Quedlinburg, der Naumburger Dom und seine Skulpturen, die Luthergedenkstätten in Eisleben und Wittenberg, das Gartenreich Dessau-Wörlitz, das Bauhaus und die Meisterhäuser in Dessau und das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe in Bildern und Texten durchstreift. Man glaubt das Metall der Himmelsscheibe und nicht die Buchseite zwischen den Fingern zu halten, kommt der schönen Uta von Ballenstedt oder Naumburg sehr nah, trifft so gut wie keine besichtigenden und störenden Leute in den Räumen, Parks und Kirchen, eigentlich ja eine Zielgruppe des Prozesses. Die Einheit von Text und Illustration ergibt sich in organischer Verbundenheit. Das Geschriebene ist von sachlicher und inhaltlicher Fülle. Es liest sich leicht und ohne Unterbrechungen durch Hinweise zu Quellen oder Abbildungen etc. im laufenden Text. Die Fotografien dazu bzw. darin nimmt der Leser als makellose Kunstwerke dieses Sujets wahr, seien sie von kleinem Format oder raumgreifender Ausbreitung über beide Seiten des aufgeschlagenen Buches. Die meisten von ihnen hat der Verleger selbst in handwerklicher resp. künstlerischer Meisterschaft erstellt, wie man dem Bildnachweis entnehmen kann. Geradezu auffällig sind seine ganzseitigen Aufnahmen ohne Bildrand. Sie öffnen das Gesichtsfeld des Betrachters scheinbar über die körperlichen Grenzen des Buches hinaus. Die informativen Legenden der annähernd dreihundert Fotografien sind den Bildern gut erschließbar und unaufdringlich zugeordnet. Die Bildinhalte selbst, seien es die Himmelsscheibe am Anfang (Juraj Lipták u. Koll.), die einmaligen Tierporträts am Ende (Thomas Hinsche) oder der allergrößte Teil zu Architektur, Kunst und Landschaft (Janos Stekovics) vermitteln in Verbindung mit den Texten (Karen Michels) dem jeweilig dargestellten Welterbe die ihm zustehende Geltung und den interessierten Betrachtern bzw. Lesern einen Genuss.
Ein von der Buchgestaltung her ganz besonderer Part sind die angehängten Übersetzungen ins Englische (Alison Kirkland) und ins Französische (Marie-Claude Lühne). Auf fast 120 Seiten in feiner, metallisch-bronzener Aufmachung des Papiers wird in kleiner Schrift und minimierten Bildformaten der gesamte vorangegangene Buchinhalt im zwei- und dreispaltigen Layout in der jeweiligen Fremdsprache zur Lektüre und Betrachtung angeboten – sicher eine Spitzenleistung verlegerischer Kunst. Rätselhaft bleibt der niedrige und somit schenkfreundliche Verkaufspreis des opulenten Werkes.
Was ist das für ein Buch? Ein Bilderbuch? Ein Kunstführer? Ein Lehrbuch? Ein Heimatbuch? Sicher von allem etwas und einiges mehr! Es ist das Verdienst der Schöpfer des Buches, diese Sammlung von gelisteten Kostbarkeiten in großartiger Gestaltung anzubieten. Mit seinen mehr als fünfhundert Seiten, den fast dreihundert farbigen Fotografien und dem lesefreundlichen Layout stellt es ein bemerkenswert schönes Exemplar der Gattung Sachbuch dar. Man sollte es jedoch nicht an oder in die besungenen Stätten mitnehmen. Dafür ist es schlicht zu schwer mit seinen 4 kg an Körpergewicht. Das Format, die Papierqualität und der großzügige Umgang mit der Raumaufteilung für Bild und Schrift dürften dafür verantwortlich sein. Dem Land Sachsen-Anhalt steht dieser spezielle und in vieler Hinsicht gewichtige Repräsentant seiner reichen Geschichte sehr gut zu Gesichte. Kein deutsches Bundesland hat anteilmäßig mehr zu bieten!
F.T.A. Erle, Magdeburg (August 2021)
Cover: Verlag