zu den Leserbriefen von Dr. med. Ilja Karl und Andreas Gänsicke
im Ärzteblatt Sachsen-Anhalt, Heft 1-2/2022, S. 46 – 48

Leserbrief von Dr. med. Ilja Karl

Ich danke Herrn Dr. Karl für die ausführlich begründete Stellungnahme zu der in den letzten Jahren immer wieder zwischen Kardiologen und Herzchirurgen auf der einen Seite und allgemeinmedizinisch tätigen Kollegen auf der anderen Seite geführten Diskussion über die optimale lipidmodulierende Therapie bei Patienten mit hohem oder sehr hohem Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse.

Das oberste Ziel in der Behandlung von Patienten sollte auch unabhängig von Leitlinien sein, diesen ein möglichst langes und ereignisfreies Leben zu ermöglichen.

Die Reduktion des LDL-Cholesterins auf den möglichst niedrigsten Wert hat dies für Patienten mit manifester Atherosklerose, Diabetes mellitus (mit Risikofaktoren) und familiäre Hypercholesterinämie in den letzten Jahren bewiesen (1).

Eine optimale Statin-Therapie hat bei diesen Patienten in zahlreichen Studien und Übersichtsarbeiten auch eine Reduktion der Mortalität gezeigt und deren Einsatz steht wohl außerhalb jeder Diskussion. Die Senkung des LDL-C mittels eines hochpotenten Statins in der Dosis, die eine 50%ige Reduktion des Ausgangs-LDL-C ermöglicht, entspricht 40mg Atorvastatin oder 20mg Rosuvastatin (1). Somit sollten diese hochpotenten Statine in diesen Dosierungen als Mittel der ersten Wahl in der Behandlung eingesetzt werden, auch wenn man eine Fire-and-forget Strategie befürwortet. Die Überlegenheit hochpotenter Statine, mit denen man einen Zielwert < 1,4 mmol/l erreicht, im Vergleich zu niederpotenten Statinen, für die leider auch Simvastatin ein Beispiel ist, konnte unter anderem in der PROVE-IT-Studie gezeigt werden (2).Die Kombination mit dem als Generikum mittlerweile verfügbaren und somit preiswerten sowie nebenwirkungsarmen Ezetemib sollte dann erfolgen, wenn der spezifische Zielwert (< 1,4 mol/l oder bei Höchstrisikopatienten < 1,0 mol/l) nicht erreicht wird. Ich stimme Herrn Dr. Karl zu, dass in den publizierten Studien zu Ezetemib keine Reduktion der kardiovaskulären oder Gesamt-Mortalität erreicht werden konnte, jedoch konnten Schlaganfälle, Myokardinfarkte und Revaskularisierungen bei identischem Nebenwirkungsprofil gesenkt werden (3). Somit erreichen wir für unsere Patienten eine Reduktion schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse, was wir als Behandelnde anstreben sollten.

Leserbrief von Andreas Gänsicke

Auch für die ausführliche und kritische Stellungnahme von Herrn Kollegen Gänsicke auf unserem Artikel zur Konsensuskonferenz möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Er hat das Problem der Wirtschaftlichkeit der Therapien und der Interessenskonflikte der Leitlinienautoren sehr deutlich dargestellt. Zu bedenken ist jedoch, dass wir in unserer Empfehlung die generisch verfügbaren und kostengünstigen Wirkstoffe Atorvastatin und Rosuvastatin in die erste Linie sowie Ezetemib in die zweite Linie zur Senkung des LDL-C gestellt haben.

Weiterhin möchte ich bzgl. der Wirksamkeit eines sehr niedrigen LDL-Cholesterins auf die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse dem Kollegen Gänsicke widersprechen. Diese ist klar gezeigt worden. Unter anderem begründe ich dies durch die in den Leitlinien publizierten Daten (1), aber auch durch die Ergebnisse der in der Antwort auf die Ausführungen von Herrn Kollegen Karl zitierten PROVE-IT Studie als Beispiel für die umfassende Evidenz zu diesem Thema (2). Die pathophysiologisch begründete Plausibilität des Prinzips ist durch die Regression atherosklerotischer Plaques durch eine LDL-C-Senkung begründet. Dies ist z. B. in der Arbeit von Nicholls et al. gezeigt worden, die bei einer Senkung des LDL-C unter ca. 1,6 mmol/l durch eine Statintherapie eine Regression koronarer Plaques zeigte (4).

Prof. Dr. med. habil. Axel Schlitt

Literaturverzeichnis

  1.  Mach F, Baigent C, Catapano AL, Koskinas KC, Casula M, Badimon L, Chapman MJ, De Backer GG, Delgado V, Ference BA, Graham IM, Halliday A, Landmesser U, Mihaylova B, Pedersen TR, Riccardi G, Richter DJ, Sabatine MS, Taskinen MR, Tokgozoglu L, Wiklund O; ESC Scientific Document Group. 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. Eur Heart J. 2020 Jan 1;41(1):111-188.
  2. Murphy SA, Cannon CP, Wiviott SD, McCabe CH, Braunwald E. Reduction in recurrent cardiovascular events with intensive lipid-lowering statin therapy compared with moderate lipid-lowering statin therapy after acute coronary syndromes from the PROVE IT-TIMI 22 (Pravastatin or Atorvastatin Evaluation and Infection Therapy-Thrombolysis In Myocardial Infarction 22) trial. J Am Coll Cardiol. 2009 Dec 15;54(25):2358-62.
  3.  Nußbaumer B, Glechner A, Kaminski-Hartenthaler A, Mahlknecht P, Gartlehner G. Ezetimibe-Statin Combination Therapy. Dtsch Arztebl Int. 2016 Jul 1;113(26):445-53.
  4. Nicholls SJ, Tuzcu EM, Sipahi I, Grasso AW, Schoenhagen P, Hu T, Wolski K, Crowe T, Desai MY, Hazen SL, Kapadia SR, Nissen SE. Statins, high-density lipoprotein cholesterol, and regression of coronary atherosclerosis. JAMA. 2007 Feb 7;297(5):499-508.