Leserbrief
Leserbrief von Professor Frank P. Meyer zum „Jahresrückblick Innere Medizin“
am 15. Januar 2022 im Ärzteblatt Sachsen-Anhalt, Heft 3/22, S. 30ff
Sehr geehrter Herr Professor Rothkötter,
wie in jedem Jahr bietet auch der Jahresrückblick Innere Medizin vom 15. Januar 2022 (Ärzteblatt Sachsen-Anhalt, Heft 3) sehr viele interessante Informationen, vor allem für Ruheständlerinnen und Ruheständler. Ab und an steckt aber der Teufel im Detail und bedarf einer kleinen Korrektur.
So heißt es, bei Einsatz von SGLT-2 Inhibitoren etwa bei Patienten mit IgA Nephropathie „kann die Verschlechterung der Nierenfunktion doch um 72 % vermindert werden.“
Wenn man aber die zitierte Arbeit (Wheeler et al.: Kidney International 2021; 100: 215-224) zur Hand nimmt, wird diese „bemerkenswerte Effektgröße“ relativiert. Die Autoren geben zwar auch eine Hazard Ratio von 0.29 an, benennen aber wenigstens die konkreten Zahlen, sodass man nicht nur die relative Risikoreduktion (RRR) zur Kenntnis nimmt, sondern man kann auch die absolute Risikoreduktion (ARR) selbst berechnen.
Danach wird der primäre zusammengesetzte Endpunkt unter Placebo von 15,0 % (20 von 133) und unter Dapagliflozin von 4,4 % (6 von 137) der Patienten erreicht. Das entspricht einer ARR von 10,6 % (15,0 minus 4,4), was m. E. eigentlich auch ein sehr guter Wert wäre. Wenn aber die Pharmaindustrie ihren üblichen Trick anwendet und die 10,6 % auf 15,0 % bezieht, dann erhält sie den hohen RRR-Wert von 71 % (= HR 0.29). Aber ohne Kontextinformationen sind diese beiden Relativzahlen nicht aussagefähig, sondern eher irreführend!
Besonders krass erleben wir diese Fehlinformationen gegenwärtig, wenn über die hohe Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe zwischen 95 % und 70 % berichtet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. med. Frank P. Meyer
Wanzleben-Börde
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