Erzählt und gezeichnet von Dr. Dietrich Wegner
Ostfalia Verlag Osterwieck 2022, ISBN 978-3-96226-066-1, Hardcover im Großoktav (17 x 24 cm), 128 Seiten, 182 Zeichnungen s/w, 24,90 €
Unter Menschen würde man sie Trampelpfade nennen, die Wildwechsel des Nieder- und Hochwildes, wahrnehmbar in Wäldern, auf Wiesen und Feldern. Es sind die regelmäßig vom Wild benutzten Spuren, besonders vom Schalenwild, oft auf dem Weg zur Tränke. Aber über diese Wege schreibt der Autor hier nicht vordergründig. Sein Wildwechsel besteht aus dreizehn hochinteressanten und sehr informativen Abhandlungen über Arten, die der Tierarzt und Jäger Wegner im südwestlichen Ostfalen (Nordharz, Fallstein, Großes Bruch) vielfältig beobachten und später auch zeichnen konnte.
Fotos bringen das nicht rüber! Es ist kein Jägerbuch, das er hier vorlegt, schon gar keins mit Jägerlatein. Die mitunter verwendeten Spezialausdrücke der Weidleute sind in einem anhängenden Glossar nachlesbar. Demnach ist z. B. die Drossel kein Vogel sondern die Luftröhre, das Gebrech ist das Maul und der Stecher ein Schnepfenschnabel.
Mit seinen Kapitelüberschriften sagt er schon im Nebentitel etwas Charakteristisches über die erlebte Tierart aus. Es beginnt mit der Wildkatze, der er ein Leben im Verborgenen zuschreibt. Nichts desto trotz ist der Kater (Kuder) ein brutaler Vergewaltiger von Hauskatzen. Er hat nur einen Feind, den Menschen. Weiter geht es mit dem Fuchs, dem verfolgten frechen Jäger. Es folgt der Hase, der vorsichtige Einzelgänger. Man sieht ihn heute kaum noch auf den großen Schlägen der modernen Agrikultur. Er wird wohl auch weitgehend jagdlich geschont. Die Waldschnepfe, Nomadin im Tarnkleid, wer hat schon jemals eine bei seinen Wanderungen durch Gehölze gesehen? Dann der Dachs, der geruhsame Erdbaumeister und nächtliche Früchtesammler. Sein friedliches Auskommen mit Füchsen und anderen Säugern im gleichen, vielkammrigen Bau ist bemerkenswert. Das Rebhuhn wird als Familienvogel beschrieben. Es wird zunehmend seltener. An erster Stelle der Ursachen seines Verschwindens aus der Flur stehen die Insektizide, dann die Greifvögel, Krähen und Füchse. Bis dass der Tod sie scheidet bleiben die Paare zusammen.
Dem Reh, dem scheuen Feinschmecker, widmet der Autor einen ausgedehnten Text, Jäger eben. Sauerampfer, Brombeerblätter und oft auch frische Triebe der Saaten sind seine Nahrungsfavoriten, verharschter Schnee sein Elend. Die Stockenten werden als geselliges Schnattervolk vorgestellt. Es gibt sie nicht nur in Parks und auf innerörtlichen Gewässern, der Erpel ein Prachtkerl, die Ente schlichter. Der Waschbär, ein pfiffiger Alleskönner, sucht gern einen Teil seines natürlichen Futters im seichten Gewässer, was als Waschfimmel missdeutet wird. Die Wälder sind voll von ihm, dem Zugereisten. Seine ungefährdeten Raubzüge zu Gelegen und Jungvögeln im Nest sowie in die Gärten und Häuser der Bürger haben dazu geführt, dass er ganzjährig entnommen (abgeschossen) wer-
den darf.
Die matriarchalisch organisierte Gesellschaft des Rotwildes (Hirsche) ist ein fast adlig strukturiertes Volk, vom Platzhirsch bis zum Kalb. Höhepunkt des Jahres dürften die großen herbstlichen Turniere sein. Das Damwild organisiert sich in anpassungsfähigen Familien. Seine Schaufler kämpfen aber auch in der Hochbrunft mitunter bis zum tödlichen Ende. Der Prachtvogel Fasan, vor etwa dreihundert Jahren aus der Region ums Schwarze Meer eingewandert, hat es in der freien Natur schwer, seine Gelege und Jungtiere zu schützen. Die Verluste sind bestandsgefährdend. Eine Aufzucht in Volieren und die spätere Auswilderung bewahren ihn in der freien Existenz.
Das Schwarzwild (Wildschweine) wird als wehrhafte Gruppe charakterisiert. Wo es viel Schwarzwild gibt, findet man kaum Rehe oder Fasane. Man sollte ihre Rotten, Bachen oder Einzelgänger umgehen. Schon mancher Jagdhund hat sein Leben an einen Keiler verloren.
Wenn man etwas für die freie und offene Natur und ihre Überraschungen übrig hat, wird man die Lektüre des Buches und die Betrachtung der zahlreichen Zeichnungen im laufenden Text genießen. Ganz nebenbei vermittelt Dietrich Wegner auch wildbiologische Fakten und einfühlsame Biotopbeschreibungen. Wolf und Luchs kommen darin (noch) nicht vor. Das könnte sich ändern. Lesenswert und gut zum Schenken geeignet das Buch, auch im digitalen Zeitalter.
F.T.A. Erle, Magdeburg (März 2023)
Cover/Abbildung: Verlag