Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großem Interesse haben wir den o. a. Artikel gelesen, der eine interessante und auch komplizierte Fragestellung im Zusammenhang mit hämostaseologischen Komplikationen bei einer Patientin mit einer angeborenen Gefäßanomalie behandelt. Es ist das Verdienst der Autoren, hier auf diese Fragestellungen aufmerksam zu machen. Dennoch verbleiben hier aus fachlicher Sicht Anmerkungen und Richtigstellungen, die die Aussagekraft für die Leserschaft nochmals verbessern sollen.
Zunächst einmal gilt im Bereich der angesprochenen Gefäßanomalien wissenschaftlich die Klassifikation der International Society for the Study of Vascular Anomalies (ISSVA). Diese unterscheidet grundsätzlich zwischen Gefäßtumoren (wie einem Kaposiformen Hämangioendotheliom; KHE) und Gefäßmalformationen (wie einer Venösen Malformation; VM) (1). Eine Gefäßmalformation und ein Gefäßtumor sind biologisch und histopathologisch ganz unterschiedliche Gefäßerkrankungen. Der Begriff des „Riesenhämangioms“ ist nicht wissenschaftlich fundiert und gibt, wie in diesem Fall, eher Anlass zur Verwechslung. Sowohl die Anamnese als auch die im Artikel dargestellten MRT-Bilder zeigen bei der Patientin eindeutig eine typische, ausgedehnte Venöse Malformation (VM) und kein Kaposiformes Hämangioendotheliom (KHE). Abhängig von der Art und Größe der Gefäßanomalie gibt es dabei zwei typische, unterschiedliche Arten von Gerinnungsanomalien, die mit Gefäßanomalien assoziiert sind: Einmal die ständige lokale intraläsionale Aktivierung der Blutgerinnung durch stagnierendes Blut innerhalb einer Venösen Malformation (Lokalisierte Intravasale Gerinnung, localised intravascular coagulation, LIC). Dies betrifft vor allem großvolumige venöse Malformationen wie bei der vorliegenden Patientin. Bei einer ausgeprägten Aktivierung, z. B. durch eine Operation, kann es hier zu einer Disseminierten intravasalen Gerinnungsstörung (DIC) kommen.
Eine andere Komplikation ist Thrombozytenaktivierung und -verbrauch bei gleichzeitiger Gerinnungsaktivierung bei bestimmten Gefäßtumoren mit ausgeprägter tiefer Thrombozytopenie (Kasabach-Merritt-Phänomen, KMP). Dies betrifft vor allem den semimalignen Gefäßtumor Kaposiformes Hämangioendotheliom (KHE), der hier explizit nicht vorliegt. Folgende Übersichtstabelle fasst diese Gerinnungsphänomene zusammen (2,3):