Krebs löst Angst aus. Daran haben die Erfolge der modernen Krebsmedizin nichts geändert. Und das wird voraussichtlich auch in Zukunft so bleiben. Denn Krebs entsteht unbemerkt im eigenen Körper als existenzielle Bedrohung. Mitunter wächst er über Jahre, ohne erkannt zu werden. Unbehandelt verläuft die Krankheit meistens tödlich. Aber ist die Angst, die Menschen angesichts von Krebs empfunden haben und immer noch empfinden, eigentlich immer und überall dieselbe Angst? Und welche Rolle spielen andere Emotionen, etwa Wut, Scham, Lebenswille, Mut, Ekel, Verzweiflung, Schuldgefühle, Einsamkeit, Zuversicht und Hoffnung?
Die Ausstellung „DA IST ETWAS. Krebs und Emotionen“ geht diesen Gefühlen nach. Sie thematisiert dabei Gefühle nicht allein als subjektive, persönliche Empfindungen. Kulturhistorische Exponate, interaktive Medienstationen und Filminterviews machen sichtbar, wie stark Gefühle durch gesellschaftliche Normen und Moralvorstellungen geprägt werden. Im 20. Jahrhundert haben sich die Erwartungen an die Gefühle in der Auseinandersetzung mit Krebs verändert. Der Rundgang veranschaulicht diesen Wandel und lädt Besucherinnen und Besucher dazu ein, auch über eigene Gefühle und deren kulturelle Prägung nachzudenken.
Die bewegende Ausstellung, die zuvor im Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité präsentiert wurde, ist bis zum 30. Juni 2025 auf dem Campus der Universitätsmedizin in Magdeburg zu sehen. Die Medizinhistorikerin Prof. Dr. Bettina Hitzer hat die Ausstellung initiiert und als wissenschaftliche Beraterin bei der Konzeption und Umsetzung begleitet. Fördermittelgeber waren die Deutsche Krebsstiftung und die Deutsche Krebshilfe. Als Kuratorin der Ausstellung wirkte die Historikerin Dr. Anne Schmidt. Bei der Vernissage in Magdeburg machte Schmidt die Besucher mit dem Konzept der Ausstellung vertraut. Im Mittelpunkt des Rundgangs stehen die Erfahrungen der Menschen, die an Krebs erkrankten und die ihrer Angehörigen. So wurden die Ausstellungsobjekte entlang der zeitlichen Abfolge einer Krebserkrankung gruppiert. Die Besucher begegnen den Objekten so wie die meisten Patienten dem Krebs: zunächst im Rahmen von Aufklärungskampagnen, später (als bereits Erkrankte) im Aufklärungsgespräch mit Ärzten, dann während der Therapien. Zum Schluss wird das Über- und Weiterleben und auch das Versterben der Erkrankten thematisiert.
Als Podiumsgäste bei der Vernissage waren Marie Rösler und Ilona Eichler geladen. Die Dipl.-Sozialpädagogin Rösler hat die Krebsberatungsstelle der Bremer Krebsgesellschaft e. V. aufgebaut und 33 Jahre lang geleitet, bis sie sich 2021 in den Ruhestand verabschiedete. Als Ehrenamtliche wirkt sie weiterhin in der Deutschen Krebsgesellschaft und im Kuratorium der Deutschen Krebsstiftung mit. Rösler berichtete davon, wie sich die Beratung von Betroffenen im Laufe der letzten Jahrzehnte gewandelt hat. So gibt es heutzutage eine große Gruppe Langzeitüberlebender – viele sind komplett geheilt, andere wiederum leben viele Jahre mit ihrer Krebserkrankung, die weitgehend kontrolliert werden kann. Daraus würden sich gänzlich neue Herausforderungen für die psychosoziale Krebsberatung ergeben. Auch Ilona Eichler gehört zu den sogenannten Cancer Survivors. Sie ist ehrenamtliche Leiterin der lokalen Selbsthilfegruppe Fatigue und seit einigen Jahren Vorstandsmitglied der Magdeburger Krebsliga e. V. Als Betroffene kennt sie das Gefühl, keinen adäquaten Gesprächspartner in Familie und Freundeskreis zu haben, wenn es zum wiederholten Mal um ihre Erfahrungen mit der Erkrankung geht. Hier helfe ihr der Austausch mit anderen Betroffenen. Zum Schluss der Vernissage erwartete die Gäste eine Führung durch die Ausstellung.

Zur laufenden Ausstellung findet ein Rahmenprogramm aus Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Lesungen statt. So war im November Josephine Uiffinger (Universitätsklinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, UMMD) als Referentin geladen und berichtete von ihrer Arbeit als Psychoonkologin in der Psychosozialen Krebsberatungsstelle. Die Psychoonkologie könne für Betroffene als eine Art Übersetzungshilfe von Emotionen rund um Krebs wirken, so Uiffinger. Im Mittelpunkt stünden das Erleben, das Verhalten und die emotionalen wie sozialen Ressourcen von Krebspatienten und ihren Angehörigen.
Die nächste Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung ist für den 16. Januar 2025 geplant. Prof. Dr. Dimitrios Mougiakakos (Universitätsklinik für Hämatologie, Onkologie und Zelltherapie, UMMD) und Prof. Dr. Mariacarla Gadebusch Bondio (Institute for Medical Humanities, Bonn) werden die aus heutiger Sicht vielversprechendsten Therapieansätze vorstellen und die dadurch gegebenen medizinethischen Herausforderungen diskutieren. Zur Debatte stehen Fragen wie: Welche Risiken bergen die neuen Therapieansätze und wie werden hier Wohltun und möglicher Schaden gegeneinander abgewogen? Welche neuen Gerechtigkeitsprobleme werfen sie auf? Was bedeutet es, wenn immer mehr Menschen langfristig mit Krebs leben, ohne geheilt zu sein? Im Anschluss an die Podiumsdiskussion gibt es die Möglichkeit, aus dem Publikum Fragen zu stellen.
Die Ausstellung kann wochentags kostenfrei von 10 bis 18 Uhr im Foyer des Neuen Hörsaals (Haus 7) auf dem Campus der Universitätsmedizin Magdeburg besucht werden. Interessierte sind eingeladen, ohne vorherige Anmeldung an einer öffentlichen Führung zur Ausstellung teilzunehmen. Die Termine können Sie über die Homepage des Fachbereichs Geschichte, Ethik und Theorie der Medizin einsehen. Zudem können Gruppenführungen nach Absprache gebucht werden. Ein Katalog zur Ausstellung kann gegen eine Spende erworben werden. Zudem ist die Ausstellung auch online zugänglich.
Korrespondenzanschrift:
Prof. Dr. Bettina Hitzer, Anna Siemens
Klinisches Ethikkomitee
c/o Geschichte, Ethik und Theorie der Medizin
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Medizinische Fakultät, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg
E-Mail (Sekretariat):
Tel.: 0391/67 24 340, Internet: https://get.med.ovgu.de/
Fotos: Ramon Kubatzki/Universitätsmedizin Magdeburg