Kaffee – das allgegenwärtige Getränk mit der anregenden psychoaktiven Droge gehört heute zum selbstverständlichen Tagesbedarf der Europäer, Amerikaner und anderer verwöhnter Populationen. Täglich sollen ihm mehr als eine Milliarde Personen zusprechen.
Ein Historiker, eine Umweltwissenschaftlerin und eine Kaffeebäuerin legen mit diesem Buch ihr Gemeinschaftswerk zur unverzichtbaren Bohne bzw. Kirsche der Pflanze Coffea arabica und deren Verwandte vor. Der erste Teil (Die Bohne und ihre Verarbeitung) erörtert die Grundlagen der Produktion des Kaffees vom Anbau bis in die Tasse. Der umfangreichere zweite Teil (Kolonialismus und Neokolonialismus) beschreibt die Geschichte, den politischen Werdegang und die aktuelle Stellung des Genussmittels in Weltwirtschaft und globalem Handel.
Ihren Ursprung soll die Kaffeepflanze in der Provinz Kaffa im Grenzbereich des heutigen Südsudan mit Äthiopien gehabt haben. Sie fand ihren verbotenen Weg in den Jemen und weiter nach Südostasien, wo sie von den Kolonialmächten im großen Stil in monokulturellen Plantagen angebaut wurde. Sie verließ damit den schützenden Wald und wurde Opfer eines hochinfektiösen Pilzbefalls, an dem sie bis heute leidet. Dass ein jetziges Hauptanbaugebiet in Mittel- und Südamerika liegt, ist dem imperialen Aneignungsdrang der kolonialen Eroberer und ins-
besondere dem unmenschlichen Geschäft mit den Sklaven aus Afrika und ihrer blutigen Ausbeutung in der Plantagenarbeit zu verdanken. Die Entwaldung der bis dahin artenreichen und fruchtbaren Regionen und die Behinderung jeglicher Subsistenzwirtschaft für eine karge Ernährung gehörten zu den Folgen dieser frühkapitalistischen Landwirtschaft in den Kolonien. Zusammen mit dem Raub und der Vernichtung der Anbauflächen der indigenen Bevölkerung entstand so ein abhängiges, in großem Elend vegetierendes Landproletariat mit miserabel bezahlter Schufterei. Die Erzeugung der Bohnen basierte immer schon auf brutaler Ausbeutung, Hunger, Mord und Massakern bis zum Genozid, Kinderarbeit eingeschlossen. Neben Brasilien ist heute einer der Hauptproduzenten Vietnam, wo ein weitgehend pilzresistenter, dafür weniger aromatischer Kaffee in großen Mengen für die industrielle Vermarktung erzeugt wird.
Das Buch geht dezidiert auf die Auswirkungen des Kaffeedurstes der sogenannten zivilisierten Länder auf Umwelt und Klima ein. Für die Bereitstellung einer Tasse des köstlichen Tranks werden 140 Liter Wasser verbraucht, weltweit ca. 110 Milliarden Liter im Jahr!
Das inhaltsreiche Buch, illustriert mit informativen Grafiken zu Geografie und Farbreproduktionen zu Anbau und Verarbeitung, endet mit einer Reihe von Vorschlägen zum verantwortungsvollen und nachhaltigen persönlichen Kaffeekonsum. Löslicher Kaffee und Angebote aus den Supermärkten kommen dabei nicht gut weg. Dass über die angepriesenen Zertifizierungen kaum noch eine Übersicht zu bekommen ist, liegt an deren verwirrender Vielzahl und der Mannigfaltigkeit der kennzeichnenden Siegel. Fair gehandelter Kaffee mit seinen gehobenen Preisen ermöglicht den ländlichen Anbauern am Beginn der Erzeugerkette bezüglich der Lebensqualität den Aufstieg aus der Kategorie des Elends in die der Armut.
Man sollte sich für das handliche Buch etwas Zeit nehmen. Es gibt u. a. Auskunft über die Herkunft von populären Handelsbezeichnungen, z. B. Tchibo, und erklärt auch, warum die Briten eines Tages die tea time
dem coffee break vorgezogen haben.
F.T.A. Erle, Magdeburg (Oktober 2023)
Cover: Verlag