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Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK)

Gefäßspezifische medizinische Rehabilitation und Gefäßsport bei Patienten mit PAVK

Gefäßspezifische medizinische Rehabilitation und Gefäßsport bei Patienten mit PAVK

Foto: Adobe Stock | #278525340

Dr. med. G. Dörr*, Dr. med. M. Marx*, Dipl.-Sportpäd. G. Thome**

* Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e. V.
** Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e. V.

Zuerst erschienen im Brandenburgischen Ärzteblatt 12/2024, S. 22f

Dr. med. Gesine Dörr

Dr. med. G. Dörr*, Dr. med. M. Marx*, Dipl.-Sportpäd. G. Thome**

* Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e. V.
** Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e. V.

Zuerst erschienen im Brandenburgischen Ärzteblatt 12/2024, S. 22f

Die Prävalenz der PAVK entspricht einer Volkskrankheit, wie in der Get-ABI-Studie gezeigt werden konnte (1). Die Häufigkeit lag in dieser Studie bei den > 65-Jährigen zwischen 11,5 % bei den Frauen und 20,9 % bei den Männern. Patienten mit einem ABI < 0,9 wurden als PAVK-Patienten klassifiziert, von denen viele noch asymp­tomatisch waren. Auch diese hatten jedoch ein signifikantes erhöhtes Risiko für schwerwiegende vaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkte und Schlaganfälle (2). PAVK-Patienten sind häufig Patienten mit polyvaskulären Erkrankungen. Bei der Post-hoc-Analyse der CAPRIE-Studie hatten 11,8  % aller Patienten sowohl eine PAVK als auch eine KHK (3)(4).

Versorgungssituation für Patienten mit KHK

Für die KHK existieren sektorenübergreifende Versorgungsstrukturen, die mittlerweile flächen­deckend in Deutschland zur Verfügung stehen. Nach der stationären kardiologischen Behandlung ist sehr häufig die ambulante oder stationäre Rehabilitation fester Bestandteil der Therapie. Anschließend erfolgt die ambulante Behandlung im Rahmen von Disease Management Programmen (DMP), darüber hinaus kann die in der Rehabilitation erlernte spezifische Bewegungstherapie in ambulanten Herzgruppen unter Anleitung ausgebildeter Herzgruppenleiter fortgeführt werden.

Versorgungsrealität für Patienten mit PAVK

Demgegenüber steht eine unzureichende Versorgung der PAVK-Patienten bezüglich einer optimierten konservativen Therapie, der gefäßmedizinischen Rehabilitation und des Rehasports („Gefäßsport“).Eine Auswertung von Krankenkassendaten in West-falen-Lippe ergab, dass Rezepte für eine lipid-senkende und thrombozytenhemmende Therapie nur von ca. 15 % aller erfassten PAVK-Patienten eingelöst wurden. Mehr als 40 % der Patienten haben überhaupt keine Rezepte eingelöst (5). Bei einer Auswertung durch die DRV Bund aus dem Jahr 2014 wurde lediglich bei 0,16 % aller über die DRV versicherten Rehabilitanden eine PAVK als Diagnose aufgeführt. Gleichzeitig wurde diesen Patienten nur selten gefäßspezifische Therapieleistungen wie Gehtraining etc. angeboten (6).

Analog der KHK sollten somit auch für die PAVK möglichst flächendeckend Einrichtungen zur Durchführung spezifischer Rehabilitationsmaßnahmen verfügbar sein und Gefäßsportgruppen für die spezifische Bewegungstherapie („Gefäßtraining“) angeboten werden können.

Sekundärprävention

Ein zentraler Bestandteil der konservativen Therapie ist die Sekundärprävention zur Senkung des kardiovaskulären Risikos und zur Verzögerung der Progression der PAVK in ein kritisches Stadium. Wie bei der KHK wurde auch bei der PAVK gezeigt, dass durch eine konsequente LDL-Senkung sowohl die kardiovaskuläre Mortalität als auch die Gesamtmortalität gesenkt werden konnte (7).
Tabelle 1

Gefäßspezifische medizinische Rehabilitation

Die Deutsche Gesellschaft für Angiologie (DGA), die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) und die Deutsche Gesellschaft für Rehabilitation und Prävention (DGPR) haben ein Verfahren zur Auditierung etabliert, mit dem nach Prüfung der erforderlichen Struktur- und Prozessvoraussetzungen das Zertifikat „Rehabilitationsklinik mit gefäßmedizinischer Expertise“ verliehen werden kann. Deutschlandweit haben bereits 9 Kliniken dieses Zertifikat nach erfolgreicher Auditierung erworben.

Da die Datenlage zur gefäßspezifischen medizinischen Rehabilitation bei Patienten mit PAVK in Deutschland noch unzureichend ist, wird begleitend zu diesem Prozess eine Studie (VER-PAVK) an der Universität Würzburg durchgeführt. Erste Analysen haben positive Ergebnisse hinsichtlich der patientenbezogenen Zielparameter sowie der Labor- und Testparameter ergeben (8).

„Gefäßsport“

Die gefäßspezifische Sport- und Bewegungstherapie wird häufig als Gehtraining bezeichnet, was jedoch der Komplexität der Therapie nicht gerecht wird. Ziel der Therapie ist primär die Verlängerung der Gehstrecke, gleichzeitig soll aber auch der Spaß an der Bewegung vermittelt werden. Dabei sollte die Trainingsform stets dem Verschlussmuster angepasst werden (Fahrradergometer bei Becken-arterienstenosen, Laufband bei Oberschenkelarterienverschlüssen, spezifische Gymnastikübungen). Um diesen spezifischen Anforderungen gerecht zu werden, sollten Patienten mit einer PAVK nicht in kardiologischen Gruppen mitbetreut werden, wie es mangels vorhandener Gefäßsportgruppen derzeit noch üblich ist. Wegen der eingeschränkten Gehfähigkeit leidet oft die Motivation der Gefäßpatienten.

Für die Gefäßsportgruppen haben die DGPR, DGA, DGG und DVGS ein gemeinsames Ausbildungs-Curriculum erarbeitet, an dem sich die Fortbildung zum Gefäßsporttrainer in den genannten Verbänden orientiert, um somit mehr qualitativ hochwertige Gefäßsportgruppen etablieren zu können. Darüber hinaus ist es wichtig, dass neben den Rehabilitationseinrichtungen (diese können eine Verordnung für DRV-Patienten auch nach einer Rehabilita­tionsmaßnahme ausstellen) auch niedergelassene Ärzte Rehabilitationssport in Gefäßsportgruppen für GKV-Patienten verordnen.

Die Teilnehmer einer Gefäßsportgruppe benötigen einen Antrag auf Kostenübernahme für Rehabilitationssport (Muster 56) mit einem Kreuz bei „Sonstige“: hier „Gefäßsport/PAVK“ eintragen und auf der Vorderseite „Rehabilitationssport: Gymnastik mit 50 Übungseinheiten in 18 Monaten Dauer“ ankreuzen.

Weitere Informationen zur Verordnung über den Antrag auf Kostenübernahme (Muster 56/Tabelle 1) und zur Gründung von Gefäßsportgruppen finden Sie bei den genannten Fachverbänden (Tabelle 2).

Tabelle 2

Literaturverzeichnis:

[1] Diehm C et al, High prevalence of peripheral arterial disease and co-morbidity in 6880 primary care patients: cross-sectional study; Atherosclerosis; 2004 Jan;172(1):95-105. doi: 10.1016/s0021-9150(03)00204-1

[2] Diehm C et al. Association of low ankle brachial index with high mortality in primary care. Eur Heart J. 2006;27(14):1743–9

[3] Craeger M et al, Results of the CAPRIE trial: efficacy and safety of clopidogrel, Vascular Medicine1998;3: 257–260

[3] Hirschl M Antithrombotische Therapie bei PAVK, Journal für Kardiologie – Austrian Journal of Cardiology 2003; 10 (4), 152-156

[5] Gebauer K et al Medication-based secondary prevention in patients with peripheral arterial occlusive disease: An analysis based on secondary data. Herz 2021; 46: 280-286

[6] Falk et al, Rehabilitation of Patients with Peripheral Arterial Disease in the Context of Guideline Recommendations; DOI https://doi.org/10.1055/a-0620-6911

[7] Feringa H.H. H. et al, The effect of intensified lipid-lowering therapy on long-term prognosis in patients with peripheral arterial disease; J Vasc Surg 2007;45:936-43

[8] Meng, K. et al, Reha-Verlaufseffekte bei Rehabilitand:innen mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit zum Rehabilitationsende, 2024,  DRV-Schriften, 130, 289-291

Foto: St. Josef Krankenhaus Potsdam

Korrespondenzanschrift:
Dr. med. Gesine Dörr
Klinik für Innere Medizin,
St. Josefs-Krankenhaus Potsdam
Allee nach Sanssouci 7, 14471 Potsdam