Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Sonne scheint und wärmt, die Natur grünt und wächst und die länger werdenden Tage führen zu Endorphinexzessen in unseren Köpfen. Deutschland hat endlich wieder eine handlungsfähige Regierung und es scheint zumindest kurzfristig, dass die unsäglichen Kriege und Konflikte in der Ukraine und im Kaschmir wenigstens eine Pause einlegen. Grund zum Optimismus eigentlich allerorten.
Diese Zuversicht sollte sich doch auch in der Gesellschaft unseres Bundeslandes wiederfinden, Mut zur Familiengründung und zur Zukunftsplanung hier vor Ort machen. Die Zahlen sprechen da aber eine ganz andere Sprache! In Sachsen-Anhalt sind im letzten Jahr nur noch 12.527 Kinder zur Welt gekommen. Das sind 1.023 Geburten (-7,5 %) weniger als 2023 und 1.979 Geburten (-13,6 %) weniger als 2022. Nun könnte man mir als Kinderarzt natürlich ganz ordinäres Eigeninteresse diesbezüglich vorwerfen. Aber mich treibt etwas ganz anderes um! Gehen die Geburten weiter in dieser Rasanz runter, besteht in der Vergreisung das größte Risiko für unseren Wohlstand und eine gesunde Gesellschaftsstruktur in unserem Bundesland. Natürlich haben wir in den östlichen Ländern schon jetzt ein gewaltiges demografisches Problem! Uns fehlen als Folge früherer Geburtenknicke und Wanderungsbewegungen gen Westen schon die jungen Frauen, die die Kinder bekommen könnten. Aber man hat das Gefühl, dass auch die jungen Familien aktuell verunsichert sind und die Familienplanung eher aufgeschoben wird, Kinder eher als Last und Risikofaktor denn als Zukunft und Inspiration betrachtet werden.
Was können wir aber nun tun, um dieser fatalen Entwicklung entgegenzuwirken? Ich glaube, das Wichtigste ist das Ernstnehmen und Zuhören in Bezug auf die Sorgen und Nöte der jungen Generation. Gerade weil wir „Alten“ zahlenmäßig deutlich in der Mehrheit sind und auch aufgrund der Demografie gerade in den ostdeutschen Flächenländern die mit Abstand größte Wählergruppe darstellen, sollten wir uns explizit um die jungen Familien bemühen! Kinderfreundlichkeit sollte gelebt und nicht nur als Floskel regelmäßig bemüht werden. Jungen Eltern müssen flexible Arbeitszeitmodelle und gleichberechtigte Karrierechancen unabhängig von Geschlecht und Herkunft eingeräumt werden. Und nicht zuletzt sind wir unabdingbar auf den Zuzug von jungen Familien angewiesen, um unser aus den Fugen geratenes Altersgefüge wieder zu reparieren. Schaffen wir in unserem Land gute Voraussetzungen und eine offene Willkommenskultur für junge Familien und deren Kinder und räumen Bildung, Kinderbetreuung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf den Stellenwert ein, den sie verdienen, damit unsere Gesellschaft in Zukunft auch mal wieder einen Frühling erlebt!
Es grüßt Sie herzlich, Ihr Henning Böhme
Vorstandsmitglied der Ärztekammer Sachsen-Anhalt