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Herbstsitzung der Kammerversammlung vom 8. November 2025

Ärzte in Sorge: Versorgung am Wendepunkt

Ärzte in Sorge: Versorgung am Wendepunkt

Sitzung der Ärztekammer mit zahlreichen Teilnehmern an Tischen, Vortragendem am Podium und Präsentation im Konferenzraum.
Redner am Podium der Ärztekammer Sachsen-Anhalt während einer Veranstaltung vor grün-weißem Hintergrund.
„Wir tragen eine gemeinsame Verantwortung!“ Kammerpräsident Prof. Uwe Ebmeyer bei seiner Rede zur politischen Aussprache
Ärzte in Sorge: Versorgung am Wendepunkt

Bekanntlich ist die Kammerversammlung das Herzstück ärztlicher Selbstverwaltung. In ihrer 10. Sitzung der VIII. Wahlperiode im Haus der Heilberufe in Magdeburg wurde das einmal mehr deutlich: 30 Abgeordnete diskutierten engagiert, stritten sachlich und entschieden stimmberechtigt über zentrale Themen. Und davon gab es reichlich: Die Probleme von medisign mit dem Austausch der elektronischen Heilberufeausweise (eHBA) standen dabei ganz oben auf der Agenda. Aber auch über Krebsregister, Ärzteversorgung und andere Themen wurde sich rege ausgetauscht.

Traditionell eröffnete der Präsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Uwe Ebmeyer, die politische Aussprache.

Seine Rede zeichnete das klare Bild einer Versorgung am Wendepunkt: Klinikschließungen, dazu schwindende Weiterbildungsmöglichkeiten und wachsende Bürokratie bedrohen nicht nur die Patientenversorgung, sondern zusätzlich die Attraktivität der Standorte in Sachsen-Anhalt für den Nachwuchs. „Die befürchtete kalte Krankenhausreform findet schon längst statt“, betonte Prof. Ebmeyer. Die erwarteten Effekte der Reform veränderten Planungen und Strategien, noch bevor gesetzliche Grundlagen stünden – mit konkreten Folgen: Abteilungen verschwinden, Rotationen wanken, strukturierte Weiterbildung bricht weg.

Zentral war die Forderung des Kammerpräsidenten, Weiterbildung als Teil der Versorgungsplanung mitzudenken und gleichwertig ambulant zu verankern: mit eigener Finanzierung, hauptamtlichen Weiterbildern und sektorenübergreifenden Verbünden. „Ambulante Weiterbildung ist kein Lückenfüller – sie ist ein gleichwertiger Pfeiler der Qualifizierung“, unterstrich Prof. Ebmeyer. Die geplante Integration der Pädiatrie in die KOSTA soll Belastungen in der Kindermedizin adressieren und Perspektiven schaffen, besonders in ländlichen Regionen. Wie hoch die Belastung derzeit ist, verdeutlichen diese Zahlen: In manchen kämen auf eine Praxis mehr als 4.000 Kinder – der Bundesdurchschnitt liegt bei 2.800.

Bei Primärarztsystem und Digitalisierung mahnte der Präsident Realismus und Praxistauglichkeit an: Hausarztpraxen dürften durch zusätzliche Steuerung nicht überlastet werden; die elektronische Patientenakte und der elektronische Arztausweis brauchen verlässliche Technik, klare Abläufe und flächige Zugänge. „Gut gedacht ist nicht gut gemacht –
wir brauchen digitale Lösungen, die in der Praxis tragen“, wurde Prof. Ebmeyer deutlich.

Als Fortschritte benannte er unter anderen das Rettungsdienstgesetz – mit einigen Abstrichen. Im Rettungsdienst würden Telenotarzt und Gemeindenotfallsanitäter als sinnvolle Bausteine anerkannt, jedoch müssten verbindliche Standards, klare Rollen und medizinische Steuerung eingefordert werden, damit Versorgung in der Fläche auch qualitativ gesichert bleibt.

Der Kammerpräsident forderte zudem die Einrichtung eines Resilienz-Kabinetts in Kooperation mit der Landesregierung, um die medizinische Versorgung krisenfest zu machen — etwa gegen Pandemien, Cyberangriffe oder im Bündnisfall. Er betonte, dass Versorgung nicht nur Struktur, sondern Widerstandskraft, vorbereitete Menschen und verlässliche Systeme brauche. „Deshalb müssen wir hier antreiben und mitentwickeln“, sagte er. Parallel habe die Bundesärztekammer eine Arbeitsgruppe Resilienz gegründet, die Aktivitäten der Ärzteschaft bündeln soll.

Zum Thema Triage und ärztliche Berufsfreiheit wertet er den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts als Erfolg für die Ärzteschaft: Der Eingriff des Bundes in die Berufsfreiheit wurde als verfassungswidrig eingeschätzt. Zugleich mahnte Prof. Ebmeyer Wachsamkeit an. Er kündigte an, die Ärztekammer werde frühzeitig den Kontakt zum Landesgesetzgeber suchen. Sollte die Regelung landesrechtlich umgesetzt werden, müssten die Bedenken der Ärzteschaft klar eingebracht werden.

Dass ihm die Baumpflanzaktion der Heilberufe persönlich aber auch als Mediziner wichtig ist, machte er in einigen klaren Sätzen deutlich: „Wir tragen gemeinsam eine Verantwortung für die Zukunft, der wir nach besten Kräften nachkommen.“ Er nannte dazu die Nachwuchsgewinnung, in der die Ärztekammer auf verschiedenen Ebenen bis hin zur Bundesärztekammer aktiv sei. Man kämpfe um bessere Arbeitsbedingungen, um Finanzierbarkeiten und eine bessere Resilienz der Versorgungssysteme, Recycling sei ein Thema, der Einsatz gegen Lachgas. „Unser Engagement bei der Baumpflanzaktion –
in der wir auch nach außen den Schulterschluss mit allen Heilberufen demonstrieren – dient auch einer öffentlichen Wahrnehmung, einer stärkeren Präsenz.“ Die Forderungen nach mehr Gesundheitskompetenz der Bevölkerung schließt eine gesunde Umwelt mit ein. Nicht zuletzt gehe es um die Art und Weise, Ziele zu erreichen. Dies geschehe einerseits durch Sichtbarkeit, andererseits auf vielen Ebenen und auch in direkten, teils vertraulichen Gesprächen mit Entscheidungsträgern, die womöglich nicht im Ärzteblatt oder in Medien abgebildet werden – „sie finden aber statt!“

Offenbar hatte der Präsident mit seinem Statement eventuelle Ressentiments aber beseitigt – das Thema wurde nicht weiter diskutiert. (Die Berichterstattung zur diesjährigen Baumpflanzaktion der Heilberufe finden Sie in diesem Heft im Anschluss auf Seite 16f.)

Teilnehmer einer Sitzung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt sitzen an Tischen mit Laptops, Unterlagen und Getränken.
Redner am Pult der Ärztekammer Sachsen-Anhalt während einer Veranstaltung, mit Mikrofon und grünem Hintergrund.
Aufmerksame und kritische Zuhörer (li.) im Plenum: Dr. Jörg Böhme in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Ärzteversorgung Sachsen-Anhalt (re.)
Aufmerksame und kritische Zuhörer, im Plenum: Dr. Jörg Böhme in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Ärzteversorgung Sachsen-Anhalt

Dr. Jörg Böhme, der Vorsitzende des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA), wies im Rahmen der politischen Aussprache darauf hin, dass die Krankenhausreform den ambulanten Bereich berührt. Und er forderte, sie auch von der Notfallversorgung heraus zu denken. Wenn etwa Zerbst schließe, sei das katastrophal. „Wir brauchen Kollegen in den Strukturen, die Weiterbildung muss ambulanter werden. Wir möchten mehr, aber uns sind die Hände gebunden.“ Als Knackpunkte nannte er unter anderem die Finanzierung, die nicht klar geregelt sei.

Ein Großteil der weiteren Aussprache bezog sich auf die akuten Probleme von medisign beim Austausch der elektronischen Heilberufsausweise. Mitglieder berichteten von ihrer Ratlosigkeit, ihren Sorgen, wie es nach der gesetzten Frist vom 1. Januar 2026 weitergehen soll. „Wir können so nicht arbeiten.“ Daraufhin wurde vom Gremium das Aufsetzen eines Statements und Forderungsschreibens in Form einer Pressemitteilung diskutiert. Das Ergebnis wurde nicht nur an alle relevanten Medien und Institutionen verschickt, es ist auch auf der Website der Ärztekammer veröffentlicht. Fakt ist: Der Handlungsdruck auf die politischen Entscheidungsträger hat inzwischen zu einem Aufschub der Fristen um sechs Monate geführt. Auch dazu finden Sie Informationen auf der ÄKSA-Website.

Zwei Referenten am Pult der Ärztekammer Sachsen-Anhalt während einer Sitzung, Teilnehmende sitzen im Konferenzraum.
Gute Nachrichten überbrachten die Geschäftsführer des Krebsregisters Sachsen-Anhalt
Rednerin am Pult der Ärztekammer Sachsen-Anhalt während einer Sitzung, vor Banner mit der Aufschrift ‚Für eine gesunde Zukunft‘.
PD Dr. Christine Schneemilch berichtete zur Situation der Ärztekammer

Die Tagesordnung wurde fortgesetzt durch den Bericht zum Sachstand des Klinischen Krebsregisters Sachsen-Anhalt durch die Geschäftsführer Dr. Alexander Kluttig sowie Andreas Wolter. Sie brachten gute Nachrichten mit: Seit 1. Juli 2025 würden die Förderkriterien wieder erfüllt. Zuvor fehlte unverschuldet die gesetzliche Grundlage – das Land habe hier „zu langsam“ reagiert.

Großes Augenmerk wurde schließlich auf den Komplex rund um die Ärzteversorgung Sachsen-Anhalt gelegt. Die Berichte erfolgten unter anderem durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. Ulrich Kuminek und Dr. Jörg Böhme in seiner Funktion als Aufsichtsratschef. Letzterer wies daraufhin, es habe im vergangenen Jahr wiederholt Presseberichte gegeben, wonach Versorgungswerke durch riskante Investments in Schieflage geraten waren. „Dies hat der Reputation der Versorgungswerke geschadet“, stellte er fest. Die Ärzteversorgung Sachsen-Anhalt stehe hingegen auf mehr als soliden Füßen, so dass eine moderate Anhebung der Anwartschaften und Renten zum 1. Januar 2026 um drei Prozent empfohlen wurde. Dies wurde am Ende vorbehaltlich der Zustimmung der staatlichen Aufsichtsgremien von der Kammerversammlung beschlossen.
Im Folgenden kamen Finanzangelegenheiten der Ärztekammer aufs Tapet: Die Berichterstattung hierzu übernahmen PD Dr. Christine Schneemilch und Prof. Edgar Strauch.

Die Gewinn- und Verlustrechnung erbrachte für 2024 ein Plus von knapp 400.000 Euro. Investiert würde in den Umbau der Schulungsräume in Magdeburg sowie in die EDV. Man könne eine stabile wirtschaftliche Lage resümieren, einschließlich uneingeschränkter Zahlungsfähigkeit. Zum 31. Dezember würden ca. 400.000 Euro nicht verbrauchte Haushaltsmittel erwartet. Eine Entnahme etwa aus Betriebsmittelrücklagen sei nicht erforderlich. Und: Die Stabilität des Beitragssatzes (0,44 Prozent) sei für 2026 sichergestellt. Bei einer Fortsetzung der aktuellen Haushaltspolitik sei daher auch mittelfristig ein stabiler Beitragssatz möglich. Und noch eine gute Nachricht zum Ende: Die Geschäftsstelle Halle kann zum 1. Februar 2026 ihre neuen Räumlichkeiten im Erich-Neuß-Weg 1 beziehen.

Die nächste Sitzung der Kammerversammlung findet am 10./11. April 2026 statt.

Die Beschlüsse der 10. Sitzung der Kammerversammlung vom 8. November 2025 finden Sie im folgenden Überblick.

K. Basaran

Fotos: ÄKSA

Beschlüsse der 10. Sitzung der Kammerversammlung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, VIII. Wahlperiode (2021 – 2026) am 8. November 2025

Ärzteversorgung Sachsen-Anhalt

> Feststellung des Jahresabschlusses 2024 der Ärzteversorgung Sachsen-Anhalt sowie Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat
> Festsetzung des Rentenbemessungsbetrages für das Jahr 2026 (Bekanntmachung im Ärzteblatt erfolgt nach aufsichtsbehördlicher Genehmigung)
> Leistungsanpassung ab 2026 (Bekanntmachung im Ärzteblatt erfolgt nach aufsichtsbehördlicher Genehmigung)
> 22. Satzung zur Änderung der Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt (Bekanntmachung im Ärzteblatt erfolgt nach aufsichtsbehördlicher Genehmigung)

Finanzangelegenheiten

> Feststellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2024 sowie Entlastung des Vorstandes und der Geschäftsführung
> Beschluss über die Verwendung nichtverbrauchter Mittel aus 2024
> Beschluss über die Finanzierung des Immobilienbereiches Schulung/Bildung
> 3. Satzung zur Änderung der Reisekosten- und Entschädigungsordnung (Bekanntmachung im Ärzteblatt)
> Beschluss des Haushaltplanes 2026

11. Satzung zur Änderung der Weiterbildungsordnung

Beschluss über die Vorschlagsliste der ehrenamtlichen Richterinnen/Richter des Landesberufsgerichts bzw. des Berufsgerichts für Heilberufe

Beschluss über die Termine der Kammerversammlung für 2026

Beschluss Pressemitteilung „Technische Probleme gefährden Patientenversorgung“

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