Prof. Dr. Dirk Vordermark, Prof. Dr. Simone Hettmer
Sarkome sind seltene, bösartige Tumorerkrankungen, die von Knochen- oder verschiedenen Weichgeweben ausgehen können, überproportional häufig bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auftreten und zu den führenden Ursachen krebsbedingter Todesfälle in diesen Altersgruppen gehören. Die rasche und präzise Sicherung der histologischen Diagnose ist essentiell erforderlich um die bestmögliche Therapie einleiten zu können. Dabei müssen bereits bei der Biopsie zwingend die späteren Erfordernisse der chirurgischen Resektion und Rekonstruktion berücksichtigt werden. Sarkome zeichnen sich durch erhebliche histologische, biologische und genetische Heterogenität aus. Dutzende verschiedener Sarkomvarianten wurden beschrieben.
Aus onkochirurgischer Sicht ist bei (fast) allen Sarkomen eine sog. „weite“ Tumorresektion zwingend erforderlich. Die „weite“ Tumorresektion beinhaltet die vollständige Entfernung des Tumorgewebes mit einer zirkulär den Tumor bedeckenden Schicht an gesundem Weichgewebe. Damit wird die den Tumor umgebende sog. „reaktive Zone“ mit reseziert in der potentiell noch Tumorzellnester anzutreffen sind. Die Qualität der Resektionsränder ist allerdings nicht nur nach dem metrischen Sicherheitsabstand zu bemessen. Anatomische Grenzschichten von nicht-tumorbefallenem Gewebe wie z. B. Faszie, Periost, Perineurium etc. müssen ggf. reseziert werden.
Darüber hinaus bestehen vielfältige (neo-)adjuvante strahlentherapeutische oder medikamentöse Be-
handlungsoptionen. Die (neo-)adjuvante Bestrahlung des Tumorbetts wurde in verschiedenen Studien mit einem statistisch signifikanten Vorteil assoziiert (4). Die Strahlenbehandlung erfolgt mit modernen Verfahren der Photonen-Strahlentherapie, insbesondere der Volume-modulated Arc Therapy (VMAT) am Linearbeschleuniger nach CT-gestützter Bestrahlungsplanung unter Einbindung der MRT-Diagnostik mittels Bildfusion. In ausgewählten Fällen kann eine Weiterleitung an ein Zentrum für Protonentherapie oder Tiefenhyperthermie sinnvoll sein. Bei lokal ausgedehnten Tumoren, einer nicht optimalen Resektion (R1/R2) oder einer ungünstigen Primärlokalisation sollte eine adjuvante Chemotherapie (klassischerweise Anthrazykline und Alkylantien) erwogen werden. Im metastasierten Stadium ist die Chemotherapie meist Therapie der Wahl und wird an die Fitness der Patientinnen/Patienten, die histologische Subklassifikation und das molekulare Profil angepasst. Im Einzelfall kommt auch die Weiterleitung an spezialisierte Zentren zur isolierten Extremitätenperfusion als neoadjuvanten oder palliativen Therapieansatz in Frage. Wesentlich für den langfristigen Behandlungserfolg ist auch die strukturierte und konsequente, leitliniengerechte Nachsorgebehandlung. In definierten Intervallen werden in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Kolleginnen/Kollegen bildgebende Untersuchungen durchgeführt, um ggf. frühzeitig einen lokal wiederkehrenden Tumor oder die Ausbildung von Metastasen zu erkennen.
Unter dem Dach des von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Onkologischen Zentrums der Universitätsmedizin Halle (Krukenberg Krebszentrums Halle, KKH) besteht seit vielen Jahren der Behandlungsschwerpunkt „Knochen- und Weichteilsarkome“. Das Sarkomzentrum der UMH stellt für die betroffenen Patientinnen/Patienten und die kooperierenden Kolleginnen/Kollegen der Region einen verlässlichen und empathisch agierenden Partner dar.
Die Seltenheit von Sarkomen erfordert in besonderem Maße eine zentralisierte Behandlung durch ein hoch-qualifiziertes interdisziplinäres Team. Die Qualität der Behandlung zeichnet sich dabei nicht nur durch die Fähigkeiten der einzelnen Teilbereiche aus, sondern durch das Zusammenspiel der gesamten Organisationseinheit.
Die Versorgung von Tumorerkrankten in zertifizierten Zentren verbessert nachweislich die Prognose der Betroffenen und wird gesundheitspolitisch daher nachdrücklich unterstützt. Die vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geförderte retrospektive Kohortenstudie zur „Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren“ (WiZen) konnte dies eindrucksvoll nachweisen. Bei allen betrachteten Krebsarten ergaben sich statistisch signifikante Überlebensvorteile für die Patienten, die in einem zertifizierten Zentrum behandelt wurden. Eigene wissenschaftliche Studien nach einer Analyse der Daten aus dem Krebsregister Sachsen-Anhalt (1) und Daten aus Frankreich zeigen, dass Patientinnen/Patienten mit Sarkomen, die in einem spezialisierten Zentrum operiert wurden, länger überleben (2,3).
Das Sarkomzentrum des Universitätsklinikums Halle
garantiert Effizienz und Behandlungsqualität. Das Zentrum vereint unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Karl-Stefan Delank Spezialisten verschiedener Fachbereiche und sorgt im interdisziplinären Verbund für eine optimale Diagnostik, Behandlung und Nachsorge von Sarkompatienten.
Das spezialisierte Team konnte im vergangenen Jahr durch die Neuberufung von Frau Prof. Dr. Simone Hettmer als Direktorin der Universitätsklinik und -poliklinik Pädiatrie I erweitert werden. Sie verfügt über eine ausgewiesene langjährige klinische und wissenschaftliche Expertise. Wissenschaftlich befasst sie sich insbesondere mit genetischen Risikofaktoren, die zu der Entstehung von Sarkomen beitragen, und mit der Erforschung neuer Wirkstoffe für die medikamentöse Behandlung von Sarkomen.
Im Rahmen der wöchentlich stattfindenden Sarkom-Tumorkonferenz am Universitätsklinikum Halle werden ausnahmslos alle Befunde beurteilt, um die Patienten einer individualisierten Therapie zuführen zu können. Spezialisten aus den Fachbereichen Muskuloskelettale Tumorchirurgie, Allgemein-, Vis-
zeral- und Gefäßchirurgie, Onkologie, Radiologie, Pathologie und Strahlentherapie, beraten das optimale Vorgehen bei jedem einzelnen Patienten. Gemeinsam werden die weitere Diagnostik und Behandlung festgelegt. Außerdem wird die Nachsorge unter Berücksichtigung individueller Besonderheiten koordiniert.
Die psychoonkologische Betreuung, regelmäßige onkologische Pflegevisiten, eine spezialisierte Physiotherapie und die sozialrechtliche Beratung sind weitere obligatorische Bausteine des Therapiekonzeptes am Sarkomzentrum des Universitätsklinikums Halle.
Die operative Resektion der Knochen-/Weichteilsarkome an den Extremitäten oder der Wirbelsäule erfolgt durch zertifizierte Operateure in der Klinik für Orthopädie. Ein besonderer Schwerpunkt bei der tumororthopädischen Behandlung wird auf den Erhalt bzw. die Rekonstruktion der Funktionalität der betroffenen Körperregion gelegt. Dazu werden spezialisierte operative Verfahren und Implantate angewendet. Moderne Tumorendoprothesen inkl. Beckenprothesen und Wachstumsprothesen für Kinder stellen die Grundlage zur Wiederherstellung der Gelenkfunktion dar.
Die chirurgische Resektion retroperitoneal lokalisierter Weichteilsarkome erfolgt abhängig von ihrer Ausdehnung sowie dem histologischen Subtyp. Bei gering differenzierten Tumoren ist in der Regel eine retroperitoneale Kompartmentresektion, bei der an den Tumor angrenzende Organe mit reseziert werden, notwendig. Eine besondere Entität stellen Gastrointestinale Stromatumore (GIST) dar, bei denen der Einsatz hochwirksamer Medikamente (Imatinib und andere Tyrosinkinaseinhibitoren) organsparende Resektionsverfahren, teilweise auch in minimalinvasiver Technik, ermöglichen.
Voraussetzung für die erfolgreiche Behandlung kindlicher Sarkome ist die präzise diagnostische Einordnung und gut koordinierte multimodale Therapie unter Berücksichtigung der speziellen psychosozialen Bedürfnisse des Kindes und seiner Familie. Um die Intensität der Behandlung an die Erkrankung jedes einzelnen Kindes anzupassen, erfolgt die molekularpathologische Aufarbeitung des Tumorgewebes und eine umfangreiche Diagnostik zur Erfassung möglicher Metastasen. Ohne intensive Chemotherapie und effektive Lokaltherapie ist eine erfolgreiche Behandlung in der Regel nicht möglich.
Das kinderonkologische Zentrum nimmt am gesamten Studien- und Register-Portfolio der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie teil. Dadurch wird der Zugang zu neuen Therapieformen ermöglicht, während eine kontinuierliche Optimierung der Therapie stattfindet. Daneben gewährleistet die bedürfnisorientierte Begleitung von Kind, Geschwisterkindern und Eltern durch ein kompetentes Team von Psychologinnen/Psychologen, Sozialpädagoginnen/-pädagogen, Lehrerinnen/Lehrern und Sporttherapeutinnen/-therapeuten Krankheitsverarbeitung, Lebensfreude und Bewegung.
Alle Patienten mit einer metastasierten Erkrankung werden im lokalen Molekularen Tumorboard bzgl. Mutationen untersucht und besprochen und zusätzlich auch über ein NCT Zentrum dem NCT Masterprogramm zugeführt. Hier erfolgt am Frischgewebe eine Whole Exome Sequenzierung, eine RNA Sequenzierung und eine Proteomanalyse, die dann in die Therapieempfehlung mit einbezogen werden. Außerdem werden am Zentrum neue Therapien für G3-Sarkome inklusive Immuntherapien und CART Zelltherapien entwickelt und den Patientinnen/Patienten in klinischen Studien oder Fallstudien angeboten.
Die kurzfristige Vorstellung von Patientinnen/Patienten mit Sarkomverdacht kann jederzeit im Sarkomzentrum des Universitätsklinikums Halle erfolgen. Es ist dabei wichtig, dass die Patientinnen/Patienten zu der Vorstellung in einer der spezialisierten Sprechstunden sämtliche Vorbefunde und Bilddokumente (nicht nur den schriftlichen Befund) mitbringen. Alternativ können behandelnde externe Ärztinnen/Ärzte Befunde zunächst im Sarkomtumorboard vorstellen. Die wöchentliche Konferenz findet jeden Dienstag 14:45 Uhr digital statt. Die Fallanmeldung ist unter 0345/557-4803 möglich.
Korrespondenzanschrift:
Universitätsklinikum Halle (Saale)
Department für Orthopädie, Unfall- und
Wiederherstellungschirurgie
Direktor: Prof. Dr. med. K.-St. Delank
E-Mail:
Internet: https://www.umh.de/sarkomzentrum
Literatur
1) Müller JA, Delank KS, Laudner K, Wittenberg I, Zeh A, Vordermark D, Medenwald D. Clinical characteristics of sarcoma patients: a population-based data analysis from a German clinical cancer registry J Cancer Res Clin Oncol. 2023 Dec;149(19):17051-17069
2) Blay JY, et al. NETSARC/REPPS/RESOS and French Sarcoma Group–Groupe d’Etude des Tumeurs Osseuses (GSF-GETO) Networks. Surgery in reference centers improves survival of sarcoma patients: a nationwide study. Ann Oncol. 2019 Jul 1;30(7):1143-1153 Erratum in: Ann Oncol. 2019 Aug 1;30(8):1407
3) Blay JY, et al. Improved nationwide survival of sarcoma patients with a network of reference centers. Ann Oncol. 2024 Apr;35(4):351-363
4) Müller JA, Delank KS, Laudner K, von Rüsten A, Schneider C, Selig JI, Wittenberg I, Zeh A, Vordermark D, Medenwald D Treatment strategies for extremity sarcoma patients: a population-based analysis on German clinical cancer registry data Front Oncol. 2025 May 29:15:1555502