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Buchrezension

Survival of the Richest – Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht mal auf dem Mars sicher sind

Survival of the Richest – Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht mal auf dem Mars sicher sind

Douglas Rushkoff

Edition Suhrkamp SV, deutsche Erstausgabe Berlin 2025, ISBN 978 3 528 02999 2, Klappenbroschur 20,5 x 11 x 2 cm, 282 S., 22,- €

Survival/Überleben – so steht es in unseren Genen, ist im Neusprech unsere DNA. Ruft man die Angebotsliste zur Literatur dazu im Internet auf, bekommt man eine füllige Liste von einschlägigen Ratgebern serviert. Das vorliegende Buch ist nicht dabei, erscheint erst bei weiterer Eindampfung des Suchbegriffs. Es ist halt auf dem hiesigen Büchermarkt noch sehr frisch, wenn man auf der deutschen Übersetzung des amerikanischen Originals besteht. Und das wäre bei der digitalen Spezifik des Titels ratsam. Seit der Brüderlichkeit des Präsidenten R. Trump mit dem Tech-Milliardär E. Musk wird deutlich: Diese Spezies zählt nicht nur zu den reichsten Männern der Welt. Sie will an die Macht zur radikalen Veränderung der Gesellschaft zu ihren Gunsten. Das geht aber nur auf dem Wege des Eingriffs in die Demokratie und die Natur.

Der Buchautor Douglas Rushkoff ist Professor für Medientheorie und Digitalwissenschaften am Queens College der City Universität New York. Er steht im Ruf eines Vordenkers und scharfen Kritikers digitaler Entwicklungen. Man zieht ihn diesbezüglich gern zu Rate. Von ihm wurden z. B. die Begriffe „viral gehen“ und „digital natives“ inauguriert. Als er eines Tages von einer illustren kleinen Runde von Milliardären zu einem Gespräch in ein Luxusresort an einen sehr abgelegenen Ort eingeladen wurde, glaubte er, Auskunft geben zu sollen, wie die Zukunft der Digitalität aussehen wird. Weit gefehlt! Die Herrschaften wollten von ihm Ratschläge zur günstigsten Platzierung von Fluchtorten für den Bau ihrer Luxusbunker, Neuseeland oder Alaska, oder ob ein Riesenfloß auf dem Ozean sicherer sei, oder die Ausreise auf den Mars. Keine Spur von Problembewusstsein zur Gefahr des Kollapses der essenziellen Lebensgrundlagen der Erdbevölkerung, die ihren Reichtum generiert. Ihre Ideologie ist das Mindset, die Selbstverständlichkeit ihres wahnsinnigen Reichtums, den sie ohne Rücksicht auf die Lebensqualität ihrer Zuarbeiter und Kunden für sich beanspruchen. Sie haben aber Angst vor den „Ereignissen“, die sie treffen könnten (Pandemie, Atomschlag, Klimakollaps, Sonnenstürme, Unruhen, böse Hacker etc.) und schließlich noch vor den eigenen Leibwächtern in der Isolation ihrer Blasen ohne Gesetze und Polizei. Sie sind der technofeudale Adel mit der Arbeitszentrale Silicon Valley. Sie irrglauben, dass sie sich per immer weiter entwickelter digitaler Technologien über Natur und Gesellschaft hinwegsetzen könnten. Eine apokalyptische Zukunftsvision stört sie nicht. Sie sind Prepper, bereiten ihre Flucht vor. Der Mindset sagt es ihnen. Schließlich sind die meisten von ihnen in exponentieller Art und Weise so reich geworden, dass sie für Ihr irdisches Leben ausgesorgt haben. „Schaut nicht zurück, schaut in die Zukunft, denkt nicht linear, denkt kühn, Freiheit oder Demokratie“ lehrt das Mindset. Und der gute Friedrich Nietzsche muss den Möchtegern-Übermenschen als philosophischer Hintergrund herhalten. Notfalls geht es in die nächst höhere Meta-Ebene. Der Weg nach rechts ist schon mal geebnet.

Das umfangreiche, bildfreie Buch ist in 13 Kapitel strukturiert, die sich flüssig lesen, aber inhaltlich nicht so schnell erfassen lassen. Ein Smartphone o. ä. sollte zum Verstehen der vielen Abkürzungen und Kurzbegriffe aus dem Angloamerikanischen zur Hand sein (TED-Konferenz, TOKEN, Gig-Worker etc.). Der Anhang enthält, den Kapiteln zugeordnet, mehr als 200 Items zum Quellenmaterial entspr. der Kennzeichnungen im Text. Rushkoff ist kein Pessimist der digitalen Revolution. Er zeigt auch Auswege aus dieser faschistoiden Mindset-Ideologie auf. Er lässt in seinen fein ironisch getönten Texten erkennen, dass Marx nicht nur Murks ist. Er ist auch ganz sicher kein Spinner. Sein Buch – eine inspirierende Herausforderung für digital interessierte Neugierige.

F.T.A. Erle, Magdeburg (April 2025)

Cover: Verlag