Am 25. und 26. April 2025 kamen die Mitglieder der Kammerversammlung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt zur 9. Sitzung der VIII. Wahlperiode zusammen. Das barocke Schloss Ballenstedt mit seinem üppigen Park, 1858 geplant vom wohl bekanntesten Gartenkünstler seiner Zeit, Peter Josef Lenné, bot dafür den passenden Rahmen. Galt es doch nach intensiven Diskussionen und dem einen oder anderen Gedankenaustausch, nach Beschlussfassungen und aufschlussreichen Referaten auch einfach mal durchzuatmen. Doch der Reihe nach.
In seiner berufspolitischen Ansprache zitierte Kammerpräsident Prof. Uwe Ebmeyer Nobelpreisträger Albert Einstein. Der soll gesagt haben: „Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten.“ So oder so ähnlich könnte man das Motto der Kammerversammlung umreißen. Die Einsicht und der Wille zur Veränderung sind längst bei allen Vertretern der Kammerversammlung zu spüren.
Doch ging es traditionell zunächst darum, eine Persönlichkeit mit dem Ehrenzeichen auszuzeichnen, die sich neben der ärztlichen Tätigkeit unermüdlich berufspolitisch dafür eingesetzt hat, dass sich die Wahrung von Werten bei gleichzeitiger Investition in Fortschritt nicht ausschließen müssen: Laudator Prof. Udo Rebmann betonte in seiner Rede auf Dipl.-Med. Dörte Meisel deren Einsatz für die Ärzteschaft Sachsen-Anhalts über die Ländergrenze hinaus, lobte ihre Empathie, ihren Sachverstand. Der herzliche Beifall für die Erwiderung von Dörte Meisel, die sich gerührt für die hohe Ehrung bedankte, zeugt von der Anerkennung der vielen Kolleginnen und Kollegen, die dem Festakt beiwohnten. Dieser wurde umrandet von einem musikalischen Ausflug in die Welt der Klassik: Die Geschwister Svenja und Erik Bühler vom GutsMuths-Gymnasium Quedlinburg boten eine mitreißende Vorstellung an Violine und Violoncello.

Im Anschluss und nach einem Wechsel der Räumlichkeiten eröffnete der Präsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, Prof. Uwe Ebmeyer, die Kammerversammlung. In seiner berufspolitischen Ansprache dankte er den vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen im Land. Zugleich schwor er die Ärzteschaft auf ein intensives neues Arbeitsjahr ein, rief zu flexiblem Denken sowie zu konstruktivem Streit und Dialog auf – und mahnte dennoch zu einheitlichem Handeln auf dem politischen Parkett.
„Es steht einerseits die Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung auf dem Spiel.“ Die Dringlichkeit von Lösungen würde sich spürbar verschärfen. Demografie und Fachkräftemangel, dazu Reformwirren und nicht zu Ende geführte Gesetze sind an sich genug Aufgabenstellung. „Wir warten auf die Entbudgetierung der Hausärzte, die dringend nötige Notfallreform befindet sich im parlamentarischen Verfahren, im Gesundheitsausschuss. Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) hat
es knapp geschafft. Es ist kein Patentrezept, keine Blaupause, die auf jedes Bundesland einfach so passt, das wissen wir.“ Es gehe nun darum, die ambulante und stationäre Versorgung zu erhalten und zu stärken, dabei nicht zu spalten, sondern zusammenzuarbeiten. In seiner Rede streifte der Präsident zudem die primärärztliche Patientensteuerung, Aggressionen und Gewalt gegen Klinik- und Praxispersonal, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen sowie Telemedizin, nicht zuletzt die GOÄ, die beim Deutschen Ärztetag in Leipzig vorgestellt werden soll, sowie die Aufarbeitung der Pandemie. Doch die Herausforderungen dieser Zeit sind noch vielschichtiger – denn: „Andererseits müssen wir uns als Ärzteschaft – auch mit Blick auf die rasanten geopolitischen Verwerfungen und Tendenzen – so aufstellen, dass wir in Ernstfällen nicht nur ausreichend reagieren, sondern zuvor bereits präventiv agieren können.“
Die mittelbare Bedrohung durch den Ukraine-Krieg sowie andere Brennpunkte, dazu der aggressive US-amerikanische Kurs und nicht zuletzt die innereuropäischen Entwicklungen, die nicht immer von Einigkeit geprägt sind, sorgen auch die Ärztinnen und Ärzte. Immer wieder tauchte dieses Thema in den anschließenden Diskussionen auf. Gefragt wurde etwa nach der Rolle der Ärztekammer bei der Gestaltung künftigen Bevölkerungsschutzes und ob solche Entwicklungen auch als Bestandteil künftiger Weiter- und Fortbildung berücksichtigt werden müssen. Antwort: Es gebe dazu bereits Gespräche mit Akteuren wie der Bundeswehr.


Dr. Jörg Böhme, der als KVSA-Vorstandschef ans Rednerpult trat, wies auf die Versorgungsnöte im Land hin: „Der Mangel wird immer größer.“ Man habe 200 offene Hausarztstellen, 50 Facharztstellen – „es ist ein Kraftakt“. Das Land bilde mit 400 Studienplätzen an den beiden Universitäten hochqualifizierten Nachwuchs aus, doch der bleibe zu selten in Sachsen-Anhalt und wandere ab. Zur Entbudgetierung der Hausärzte („Sie ist noch nicht da, wo sie hingehört“, „Ich habe da große Sorge“) forderte er zudem die Ausweitung auch auf die Fachärzte.
So breit wie die Herausforderungen derzeit an die Ärzteschaft in Sachsen-Anhalt sind, waren auch die Themen der anschließenden Diskussionen. Rege etwa wurde das Thema Elektronische Patientenakte (ePA) besprochen. Anlass war zunächst ein Antrag unter Federführung von Dr. Gunther Gosch, aus dem eine Resolution hervorging. Um Kinder und Heranwachsende vor einer möglichen späteren Stigmatisierung durch nicht widersprochene Eintragungen zu schützen, soll die bisherige geltende Opt-out-Regelung für sie ersetzt werden. Über Sinn und Auswirkungen wurde rege gestritten. Im Ergebnis wurde die Resolution mit Mehrheit verabschiedet. So heißt es darin nun: „Die Delegierten der Kammerversammlung der ÄKSA befürworten ausdrücklich die ePA, fordern jedoch mit Nachdruck die Opt-in-Lösung für Kinder und Jugendliche – zum Schutz der heranwachsenden Generationen und ihrer Perspektiven. Zugleich sollen die Vertreter der Ärztekammer beim diesjährigen Deutschen Ärztetag in Leipzig diese Haltung auch überregional vertreten können.“


Weiter treibt die primärärztliche Patientensteuerung die Hausärzte um. Der womöglich zunehmend belastende Umgang mit Patientenwünschen hinsichtlich der Überweisung zu Fachärzten wurde skizziert: „Die soll und muss ich schlussendlich verweigern, wenn ich die Notwendigkeit nicht erkenne! Wir sind letztlich der Buhmann.“ Beklagt wurde auch der Mangel an Fachärzten, an die überhaupt überwiesen werden könne. „Einerseits gibt es jede Menge medizinischen Fortschritt, andererseits haben wir keine Ressourcen.“ Und: „Die Leute werden von der Politik verwöhnt, es wird vollumfängliche Versorgung gefordert, wo letztlich ein Anspruch auf nötige Versorgung besteht. Wir brauchen hier mehr Aufklärung und vor allem Gesundheitskompetenz.“
An Tag 2 referierte Frank Adelstein, Bereichsleiter Immobilien der Ärzteversorgung Sachsen-Anhalt, über die Anlagen und Nachhaltigkeitsstrategien bei der Anschaffung aber auch Pflege der verwalteten Immobilien. Vorausschauend würden hier seit Jahren die Prinzipien der sogenannten ESG berücksichtig. Die Abkürzung steht für „Environmental, Social und Governance“, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Selbst über verwendete nachhaltige Putzmittel würde Buch geführt – übrigens keine scherzhafte Übertreibung, sondern Fakt. Ob denn auch der Grund der Ärzteversorgung gehöre? Schließlich habe sich unter anderem in Kiew gezeigt, wie schnell Wohn- aber auch Prachtbauten in Schutt und Asche gelegt würden, so eine bange Frage. Adelstein konnte dies bejahen, bei sämtlichen Bauten stünde die Ärzteversorgung im Grundbuch.


Steffen Trautmann, Abteilungsleiter Weiterbildung der ÄKSA, erörterte anschließend, welche voraussichtlichen Änderungen in der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) anstehen. Hintergrund ist unter anderem die durch das KHVVG zu erwartete Spezialisierung der Kliniken. Sie führt voraussichtlich zu einem Abbau an Weiterbildungsstellen. Man müsse sich Gedanken zu Strukturierung und Finanzierung machen, um diese zu gewährleisten. Ein probates Mittel könnten sogenannte Weiterbildungsverbünde sein. Auch dies wird auf dem bereits angesprochenen Deutschen Ärztetag (DÄT) in Leipzig vom 27. bis 30. Mai 2025 Thema sein.
Ein Ausblick auf die Termine zum Wahljahr 2026 rundete diese zweitägige Zusammenkunft der Kammerversammlung ab, die geprägt war von Wandel und Wille, Ideen und ehrlichem Interesse am Gegenüber zur bestmöglichen medizinischen Versorgung in Sachsen-Anhalt.
Die nächste Kammerversammlung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt findet am 08. November 2025 statt.
K. Basaran
Fotos: ÄKSA
(Veröffentlichung unter www.aeksa.de/Taetigkeitsbericht)
> Beschluss über Änderung der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt
> Beschluss über die Änderung der Kostenordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt
> Beschluss über die Änderung der Reisekosten- und Entschädigungsordnung
> Beschluss über die Verfahrensordnung für das Feststellungsverfahren nach § 50 b bis § 50 d BBiG
Am 28.04.2025 wurde im Internet unter www.aeksa.de unter der Rubrik „Bekanntmachungen“ der Wortlaut der 17. Satzung zur Änderung der Kostenordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt bekannt gemacht. Sie ist am 01.05.2025 in Kraft getreten.