Die Nachricht vom Attentat auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg am 20.12. habe ich zuerst am Computer gelesen. Das Entsetzen über die erschütternde Situation hat mich bis heute nicht verlassen – die Verstorbenen, die vielen Verletzten. Die Verletzungsmuster – multiple Frakturen und die schweren inneren Blutungen – bei der brutalen Gewalt des fahrenden Autos. Drei Minuten Wahnsinn – und ein Trauma, das fast mit den Händen greifbar war und ist. Das Mitgefühl ist bei den Familien der Verstorbenen, den vielen Verletzten mit ihren Angehörigen und den zahllosen anderen Betroffenen.
Die Kolleginnen und Kollegen, die Einsatzkräfte und Notfallseelsorger und viele andere, die an dem Abend auf dem Alten Markt waren: In selbstloser Solidarität ein riesiges Team, das in dem Inferno zusammenhielt und rasch zu den richtigen Entscheidungen kam und logistisch einfach funktionierte. Der Einsatz auf dem Weihnachtsmarkt, im nahegelegenen Allee-Center, das zur Notaufnahme wurde, und in den Krankenhäusern der Stadt und der Region zeugt von beruflicher Professionalität und tiefer Menschlichkeit. Was mich sehr berührt hat, ist die Selbstverständlichkeit, mit der von den Helferinnen und Helfern die eigene Not reflektiert wurde. Dies und die schnelle Besprechung, das „Debriefing“ direkt nach dem Einsatz ist so überaus wichtig. Wir trauern zusammen. Und trotzdem: die erste ausländerfeindliche Demonstration bereits am 21.12. in der Innenstadt. Die Lichterkette am Tag vor Heiligabend war ein großes Zeichen der Solidarität und des gemeinsamen Aushaltens des Unfassbaren. Dass eine politische Kundgebung in kaum 500 Meter Entfernung stattfand, war mehr als eine Zumutung für die trauernde Stadtgesellschaft. Die entsetzliche Situation politisch für den Wahlkampf zu vereinnahmen ist Demagogie, der entschieden und couragiert entgegenzutreten ist!
Jetzt müssen wir besonders auf die Sicherheit unserer ausländischen Kolleginnen und Kollegen und der Menschen mit Migrationshintergrund in der Stadt und im Land achten. Eines von vielen Beispielen hierzu stellt die kurz nach dem 20.12. veröffentliche Erklärung des Klinikums Magdeburg dar. Unter dem Slogan „Über 20 Nationen – 1 Mission“ stellte sich das Klinikum solidarisch und respektvoll hinter seine ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ohne deren Einsatz die Verletzten nicht hätten gerettet und versorgt werden können. Doch auch Aufmerksamkeit ist erforderlich im Hinblick auf auffälliges Verhalten von Menschen, die andere gefährden könnten. Dazu ist für uns ein gemeinsames Vorgehen mit den anderen Ärztekammern erforderlich. Im Vertrauen auf Solidarität, Professionalität und Mitmenschlichkeit können wir trauern und die lähmende Angst überwinden. In diesem Sinne – in diesem Jahr 2025.
Ihr Hermann-Josef Rothkötter