Zum Hauptinhalt springen

Zum 100. Geburtstag

Prof. Dr. Lisa Wilken – erste deutsche habilitierte Anästhesistin

Prof. Dr. Lisa Wilken – erste deutsche habilitierte Anästhesistin

Prof. Dr. Lisa Wilken

Lisa Wilken wurde am 08.02.1925 in Rostock geboren. Hier studierte sie von 1945 – 1950 Medizin und wurde 1951 zur Dr. med. promoviert. Der Weg als junge Ärztin führte sie zunächst für drei Jahre an die Universität Greifswald zu dem Internisten Katsch, wo sie ihre – auch für die Anästhesie essenzielle – internistische Qualifikation mit dem Schwerpunkt Diabetologie erfuhr.

1953 kam sie an die Chirurgische Klinik des Magdeburger Städtischen Krankenhauses Sudenburg. Der Direktor dieser Klinik, Prof. Werner Lembcke, hatte frühzeitig erkannt, dass für die Fortentwicklung des Faches Chirurgie eine zeitgemäße Anästhesie unbedingt erforderlich ist. So wurde Frau Dr. Wilken mit der Aufgabe betraut, sich um die Anästhesie für eine Klinik mit mehr als 200 Betten und mehreren Operationssälen zu kümmern und daneben auch noch eine Blutbank aufzubauen und zu leiten. Bei den ihr großzügig gewährten, damals noch möglichen, Hospitationen in West-Berlin, München und im Mutterland der Anästhesie England lernte sie der damaligen Zeit entsprechend ausgestattete und organisierte Anästhesie-Abteilungen kennen.

Unter bescheidenen materiellen und personellen Voraussetzungen gelang es ihr, ab 1954 nach und nach eine kleine Anästhesie-Abteilung innerhalb der Chirurgischen Klinik der inzwischen gegründeten Medizinischen Akademie Magdeburg (MAM) zu etablieren. Mit nur wenigen Ärztinnen und Ärzten ersetzten sie die bis dahin vorwiegend von Schwestern durchgeführten Narkosen durch neuzeitliche Verfahren, die nun auch kompliziertere Eingriffe bei Patienten aller Alters- und Risikogruppen zuließen.

Bei der Inbetriebnahme des landesweit ersten ärztlich besetzten Notfall-Rettungs-Dienstes – der Magdeburger „Schnellen Hilfe“ – Anfang der 60er Jahre wirkte Dr. Wilken tatkräftig mit. Eine Intensivtherapiestation gab es noch lange nicht. In Einzelfällen wurden beatmungspflichtige Patienten (z. B. mit Tetanus oder nach Polytrauma) auf einer Frischoperierten-Station anästhesiologisch betreut. Als jedoch 1967 nach dem Zugunglück von Langenweddingen plötzlich zahlreiche schwerverbrannte Patienten versorgt werden mussten, wurde auf der schnell geräumten chirurgischen Chefstation für mehrere Wochen ein provisorisches Verbrennungs-Zentrum eingerichtet, dessen intensivmedizinische und organisatorische Leitung Dr. Wilken oblag.

1957 wurde Frau Wilken der Facharzttitel für Anästhesiologie zuerkannt, was in der DDR erst seit 1956 möglich war.

Frühzeitig erkannte sie die Notwendigkeit der Nachwuchs-Gewinnung für das noch weithin unbekannte neue Fachgebiet und bot bereits ab 1957 eine fakultative Anästhesie-Vorlesung an. Als ab August 1961 die Mitgliedschaft ostdeutscher Anästhesisten in der gesamtdeutschen wissenschaftlichen Anästhesiegesellschaft (DGA) nicht mehr wahrgenommen werden konnte und in der DDR eine entsprechende Einrichtung erforderlich wurde, ist Frau Dr. Wilken auf deren Gründungsversammlung 1964 zur Schatzmeisterin gewählt worden.

1965 verteidigte Dr. Wilken ihre Habilitationsschrift zum Thema „Über den Einfluss des Halothans auf den Kohlenhydratstoffwechsel“ und war damit die erste Frau in Deutschland, die sich im Fachgebiet Anästhesiologie habilitiert hatte.

Da sie befürchten musste, ihre akademische Laufbahn nicht ungehindert fortsetzen zu können, entschloss sie sich, die DDR zu verlassen und stellte ihre reichen Erfahrungen für mehr als zwei Jahrzehnte bis zu ihrer Pensionierung 1990 als Chefärztin der Anästhesieabteilung des Krankenhauses Lemgo zur Verfügung.

Erst im Ruhestand konnte sie 1992 von der inzwischen gegründeten Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg für ihre zurückliegenden unvergessenen Verdienste mit der Verleihung einer Professur geehrt werden. Bis zu ihrem Tod im Jahre 2007 hielt Frau Prof. Wilken Verbindung zur Magdeburger Anästhesie, die ihr in den schwierigen Gründerjahren so viel zu verdanken hat.

Prof. emeritus Wolfgang Röse

Foto: privat