Turne bis zur Urne! Iss regional und saisonal. Gemüse ist das neue Obst. Wer rastet, rostet. Sitzen ist das neue Rauchen. Künstliches Licht in der Nacht (ALAN) macht dick. Stress bedeutet für jeden etwas anderes. Setze Grenzen und übe dich in Akzeptanz von Dingen, die du nicht ändern kannst!
Der 33. Fortbildungstag der Ärztekammer Sachsen-Anhalt am 7. September 2024 zum Thema „Was hält uns gesund“ beinhaltete zwar einige Botschaften, die jedem schon einmal begegnet sind, darüber hinaus aber auch viele neue Erkenntnisse, viele Kontexte, Handlungsempfehlungen und mehr als einmal ein Aha-Erlebnis. Präsentiert von ebenso fachkundigen wie unterhaltsamen Experten und souverän moderiert von PD Dr. Markus Porsch, Facharzt für Urologie und Vorsitzender des Beirates der Akademie für Fort- und Weiterbildung, war dieser fortbildungsintensive Samstag trotz hochsommerlicher Temperaturen jenseits der 30 Grad Celsius alles andere als Zeitverschwendung. Nicht zuletzt trugen die interessierten Nachfragen und Diskussionspunkte aus dem Publikum zu einer lebendigen und kurzweiligen Veranstaltung bei.
Den Auftakt bildete der Vortrag von Dr. Carl Meißner. Der Facharzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie und Ernährungsmediziner zeichnete ein ernüchterndes Bild der heutigen Ernährungsgewohnheiten der meisten Deutschen: Lecker geht vor gesund. Zwar mehren sich die Menschen, die inzwischen mehr auf die Ernährung achten. Doch immer noch zu wenig. Adipositas ist laut WHO das am schnellsten wachsende Gesundheitsrisiko. 75 Prozent aller Erkrankungen sind primär auf schlechte und falsche Ernährung zurückzuführen. Große Gefahren bergen hochindustriell verarbeitete Produkte: Versteckte Zucker, Fette, Zusatzstoffe. Der Tipp des Experten für gesunde Ernährung: Gehen Sie in den Supermarkt und kaufen Sie nur die Dinge, für die keine Werbung gemacht wird – Gemüse, Obst, Milch, Eier.
PD Dr. Markus Porsch und Dr. Carl Meißner (v. l.)
Apropos: Wussten Sie, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens eine Laktoseintoleranz entwickelt? Auch die Fähigkeit der Verarbeitung von Weizenmehl lässt im Laufe des Lebens nach, insgesamt nehmen Allergien zu. Scheinbar tradierte Gewohnheiten wie täglicher Fleischkonsum kollidieren mit den Alltagsgewohnheiten der heutigen Zeit: Während etwa 1910 jeder Mensch um die 20 Kilometer täglich zurücklegte, waren es 2010 durchschnittlich 400 Meter. In Sachen Obst rät der Experte zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Südfrüchten. Diese sammelten auf Grund des Transports und des dann initiierten Reifeprozesses verstärkt Fruchtzucker an. Dr. Meißner: „Greifen Sie lieber zu heimischem Gemüse, dünsten Sie es, wie es unsere Großeltern taten, das erhält die guten Stoffe, kauen Sie alles gut, dann dankt es der Magen und, kurzum: Gemüse ist das neue Obst.“ In der anschließenden Diskussion ging es u. a. um Bauchfett als Entzündungsmediator und die richtige Trainingszeit (morgens nüchtern, doch sportmedizinisch begleitet), von den Krankenkassen finanzierte Kochkurse und MealPrep als Möglichkeit zur Kontrolle der Zusammensetzung des eigenen Ernährungsplanes.
Im Grunde ist ja alles ganz einfach – und doch tun sich viele Menschen schwer. Das weiß auch Franka Stärke, Fachärztin für Allgemeinmedizin, ZB Sport- und Ernährungsmedizin. Die Magdeburgerin ging in ihrem Vortrag auf die Bedeutung der Bewegung bis ins hohe Alter ein. Oberstes Ziel sei es, die Sturzgefahr zu senken. Vorgestellt wurden diverse Studien speziell zum Thema Adipositas und Bewegung, die zeigten: Je intensiver man sich um die Patienten kümmere, desto erfolgreicher sei die Therapie. Der Dreiklang „Ernährung, Bewegung, Verhaltenstherapie“ sei effektiv. Sie stellte zudem das „Rezept für Bewegung“ vor, warb für ausreichendes Trinken, den Konsum hochwertiger Eiweiße (zwei Eier pro Tag!), erklärte, wie die Herzfrequenz beim Kardiotraining das Abnehmen begünstige, und rüttelte mit der Erkenntnis auf: Der Muskelabbau beginne bereits im Alter von 30 Jahren.
Interessante Einblicke in die Schlafmedizin gewährte Dr. med. Steffen Schädlich, Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, ZB Schlafmedizin sowie Leiter des Schlaflabors, Klinik für Innere Medizin II, Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau. Die meisten Menschen in Deutschland würden sieben Stunden plus als erholsam empfinden. Die Reaktionsfähigkeit nach 17 Stunden Schlaflosigkeit entsprechen etwa dem Wert mit 0,5 Promille, nach 20 Stunden sogar ein Promille. Schichtdienste, Nachtdienste – sie seien fatal. Dr. Schädlich präsentierte Erkenntnisse zum Zusammenhang von Schlafapnoen und Kardiovaskulären Ereignissen, erläuterte die Vorteile der CPAP-Therapie und beleuchtete Alternativen. Er stellte eine neue Schlafmittelgeneration vor, die vielversprechend sei und beantwortete Fragen zum Thema Alzheimer und Licht sowie zum Wechselspiel 'restless leg syndrome' (RLS) und Schlafapnoe.
Franka Stärke: Immer in Bewegung bleiben
Dr. Steffen Schädlich
Das Finale dieses rundum-gelungenen Fortbildungs-Tages bestritten Dr. Julia Krüger, Psychologische Psychotherapeutin (Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie) und Kerstin Golinsky, M. Sc., Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie), beide von der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum Magdeburg. Sie boten sehr konkrete Analysemöglichkeiten und Hilfestellungen zur Bewältigung von Stress-Situationen etwa in einer Praxis, erläuterten die Funktionsweise von Erwartungsmanagement und gaben Tipps zum Selbstmanagement. Wichtigste Erkenntnisse: Gedanken sind oft nur Gedanken und keine Realität („Ich schaffe das nicht, ich bin nicht genug“). Dies helfe, den Schritt zu gehen von der Identifikation zur Distanzierung, also „Ich habe Gedanken, ich bin aber nicht meine Gedanken.“ Grenzen setzen, hilft uns manchmal auch, Dinge einfach anzunehmen, ohne sie zu bewerten. Es gehe letztlich darum, mentale Stresskompetenz zu entwickeln – Prävention also. Im Grunde die Essenz des Tages: Wissen beugt vor, macht klug und hält, richtig eingesetzt, die meisten Menschen zu einem Großteil fit und gesund bis ins Alter.
Kerstin Golinsky, Dr. Julia Krüger (v. l.)
K. Basaran
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