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Der Parlamentarische Abend der Ärzteschaft

Resilienz der Gesundheitsversorgung: Zeit für neue Wege und Allianzen

Resilienz der Gesundheitsversorgung: Zeit für neue Wege und Allianzen

Auszeichnung der besten Ausbildungspraxis beim Parlamentarischen Abend der Ärztekammer Sachsen-Anhalt 2025.
Ein Höhepunkt des Abends war die Ehrung der besten Ausbilderpraxis: Kammerpräsident Prof. Ebmeyer (l.) überreichte sie an die Ausbildungsbeauftragten der Augenarztpraxis von Prof. Claudia Grünauer-Kloevekorn in Halle: Susann Kittler, selbst MFA, und Philipp Schneider, Facharzt für Augenheilkunde. KV-Chef Dr. Böhme (re.) gratulierte

Zugegeben, die Vorzeichen für den jährlichen Parlamentarischen Abend, liebevoll „Grillen bei Doctor Eisenbarth“ genannt, standen nicht sonderlich günstig. Gegen vorab prognostiziertes Regenwetter kommt man mit guter Planung und Organisation ja noch an. Aber wenn eine kurzfristig einberufene Sondersitzung im Landtag die Anwesenheit der Parlamentarier erfordert, ist die Frage nach der Priorität für Abgeordnete keine mehr – sollte sie ja, genau genommen, auch nicht sein.

Und doch kann man diesen dann kleinen, feinen Abend von Ärztekammer Sachsen-Anhalt und Kassenärztlicher Vereinigung Sachsen-Anhalt am 10. September 2025 mit dem Prädikat „gehaltvoll“ umschreiben. Zum einen, weil die rund 80-köpfige Gästeschar dennoch bedeutsame Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Gesundheitswesen, Bildung und befreundeten Kammern der Heilberufe vereinte. Zum anderen ließen sich im Laufe des Abends dann doch noch Ministerinnen und Minister wie der neue Bildungsminister Jan Riedel sehen, selbst Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) und etliche Landtagsabgeordnete schauten nach der Sondersitzung zum Netzwerken bei kühlen Getränken, Grillbuffet und Livemusik vorbei. Erst der später doch einsetzende und nachdrückliche Regen beendete diesen Abend unter freiem Himmel.

Traditionell startete der Parlamentarische Abend mit einem lockeren Willkommens-Empfang auf der Wiese hinter dem Haus der Heilberufe, dem sich dann der offizielle Teil mit den Reden von Ärztekammer-Präsident Prof. Uwe Ebmeyer und dem Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung Dr. Jörg Böhme anschließen sollte. Doch zunächst wartete man gespannt auf die Ankunft der Gesundheitsministerin, Petra Grimm-Benne. Die Politikerin, die zur Landtagswahl 2026 nicht mehr antreten wird, sollte als Vertreterin der Landesregierung das Grußwort halten. Sie erschien gut gelaunt und nahezu pünktlich.

Mit einer eindringlichen Botschaft eröffnete der Kammerpräsident den Rede-Reigen: Die sich zuspitzende geopolitische Lage mit Ukraine-Krieg, Nah-Ost-Eskalation, Trumpscher Unberechenbarkeit und zunehmender europäischer Uneinigkeit hinterlasse auch in Sachsen-Anhalt Spuren: steigende Kosten, gesellschaftliche Polarisierung, Cyberangriffe, eine Häufung von Krisen, all das „trifft auch unsere regionalen Netze, unsere Versorgungslogistik und nicht zuletzt unser Sicherheitsgefühl“, zeichnete Prof. Ebmeyer die Lage auf. „Sachsen-Anhalt will und kann hier nicht abwarten – sondern muss sich darauf einstellen. Und das beginnt mit einem neuen Verständnis von Gesundheitsversorgung: als Sicherheitspolitik, als Standortfaktor und als sozialer Stabilitätsanker.“ Eine Antwort auf diese Herausforderungen, zu denen sich Fachkräftemangel, Demografie und Reformstau gesellen, seien robuste und verlässliche Strukturen, welche die Widerstandsfähigkeit des Gesundheitssystems gegen äußere Belastungen erhöhen. Der Vorschlag: ein Resilienz-Kabinett Sachsen-Anhalt.

In Anlehnung an das vor zwei Jahren von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff initiierte Gesundheits-Kabinett sollten sich hier ressortübergreifend verantwortliche Akteure miteinander vernetzen, um Ideen und Lösungsansätze zu bündeln, abzustimmen und im Nachgang kontrolliert und strukturiert umzusetzen. Prof. Ebmeyer: „Wir brauchen ein strategisches Steuerungsinstrument, das sich gezielt mit der Vorbereitung auf Krisen-, Katastrophen- und – ja, leider auch – Kriegssituationen befasst … damit wir nicht auf Bedrohungen und Situationen reagieren, sondern ihnen vorbereitet begegnen können.“ Ein Resilienz-Kabinett sei hier ein notwendiger erster Schritt: „Die Ärzteschaft steht hierfür bereit“, machte der Kammerpräsident deutlich.

Wie hilfreich ressortübergreifendes Denken und Handeln ist, zeigt das bereits genannte Gesundheits-Kabinett. Inzwischen konnten mehr als 100 Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, würdigte Prof. Ebmeyer die Zusammenarbeit. Die Zahl der Studienplätze für Humanmedizin sei auf 417 aufgestockt worden – 19 Studienplätze je 100.000 Einwohner. Damit liegt Sachsen-Anhalt hinter dem Saarland mit 29 und Mecklenburg-Vorpommern mit 26 Plätzen bundesweit auf Platz 3. Nun gehe es darum, die „Klebequote“ von frisch ausgebildeten Medizinerinnen und Medizinern zu erhöhen. Dazu hätten sich Akteure vernetzt: „Kommunen haben erkannt, dass sie attraktiv sein müssen und bemühen sich mit Partnern wie der KVSA mit Stipendien und Förderprogrammen um Nachwuchs.“ Maßnahmen wie die Amtsarzt- und Landarztquote greifen bereits, wusste auch KV-Chef Dr. Böhme in seiner Ansprache zu berichten. Weitere Erfolge seien dank fortschreitender Digitalisierung spürbar: Telemedizin könne in Regionen mit akuter Versorgungsnot entlasten, auch wenn sie keine Mensch-zu-Mensch-Medizin ersetzen darf und kann.

Rede beim Parlamentarischen Abend der Ärztekammer Sachsen-Anhalt mit Fokus auf Gesundheitsversorgung und Resilienz.

Sorgte für Gesprächsstoff: Prof. Uwe Ebmeyer warb in seiner Rede um ein Resilienz-Kabinett

Ärztekammer Sachsen-Anhalt: Austausch und Netzwerken beim Parlamentarischen Abend im medizinischen Kontext.

Kammer-Vizepräsident Thomas Dörrer unterhielt sich u. a. mit BARMER-Landesgeschäftsführer Axel Wiedemann (2. v. li.)

Teilnehmer beim Parlamentarischen Abend der Ärztekammer Sachsen-Anhalt im Austausch über Gesundheitsversorgung.

Hörte aufmerksam zu: Landtagspräsident
Dr. Gunnar Schellenberger

Weitere Kernaussagen:

  • Der Test der Tele-Notärzte werde als Erfolgsgeschichte auf den Norden Sachsen-Anhalts ausgeweitet werden.
  • Ein Drittel der neuen Kolleginnen und Kollegen kommen aus dem Ausland. „Ohne ihre Expertise wäre die Versorgung in Sachsen-Anhalt bereits heute nicht mehr flächendeckend sicherzustellen.“ Ihre Integration sei ethischer Auftrag UND strategisches Gebot. Der Appell der Ärztekammer: eine sachbezogene und beschleunigte Anerkennungspolitik, sprachliche Förderung und gezielte Willkommensprogramme – bei gleichzeitiger Einhaltung der hohen Standards der Medizin, auch im Sinne der Patientensicherheit. Für Ärztinnen und Ärzte aus Drittstaaten wäre im Zuge der Anerkennungsverfahren ein modifiziertes Staatsexamen überlegenswert.
  • Es braucht eine Krankenhausreform, die verzahnt ist, regional denkt und Praxiswissen einbindet. Die Weiterbildung muss dabei hochwertig und flexibel bleiben und unbedingt aufrechterhalten werden.
  • Die ambulante Versorgung ist mindestens am Limit: Verbale Attacken auf niedergelassene Kolleginnen und Kollegen, absurde Sparvorschläge auf Kosten derer, die medizinische Versorgung in vorderster Reihe, ist empörend und nicht hinnehmbar.

„Die Herausforderungen sind komplex, aber nicht voneinander getrennt“, so der Kammerpräsident abschließend. Zusammenarbeit und Austausch sind der Schlüssel. „Es geht um die Sicherheit unserer Bevölkerung, von uns allen. Wir müssen den Schulterschluss hinbekommen.“

Auch KVSA-Chef Dr. Böhme erinnerte in seiner Rede an das Gesundheits-Kabinett und verkündete erste umgesetzte Entscheidungen. „Die Landarztquote ist erhöht worden – von 6,3 auf 7,8 Prozent.“ Erfreulich sei: Von den 32 bzw. 31 Medizinstudienplätze gehen 28 an Bewerberinnen und Bewerber aus Sachsen-Anhalt. Rund 240 unbesetzte Haus- und Facharztstellen in Sachsen-Anhalt zwingen dazu, neue Wege zu gehen. In der Telemedizin sehe man durchaus Potenzial: In der Altmark komme aktuell die Telemedizinische Einheit Augenheilkunde Salzwedel – kurz TEAS – modellhaft zum Einsatz. Gesundheitsministerin Grimm-Benne betonte in ihrem Grußwort noch einmal die gute Zusammenarbeit der Institutionen, lobte die Fortschritte und erzielten Erfolge und erinnerte zugleich an eine notwendige Fortsetzung.

Gäste beim Parlamentarischen Abend der Ärztekammer Sachsen-Anhalt im Austausch über Gesundheitswesen und Versorgung.

Christina Glaser, die Geschäftsführerin der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, umrahmt von ihrem Präsidenten Dr. Carsten Hünecke (li.) und Vize-Präsidenten Maik Pietsch (re.)

Teilnehmer des Parlamentarischen Abends der Ärztekammer Sachsen-Anhalt im Gespräch zur Gesundheitsversorgung.
Dr. Burkhard John (ehemaliger Vorstandsvorsitzender der KVSA)
Gespräch zwischen Vertretern aus Politik und Gesundheitswesen beim Parlamentarischen Abend der Ärztekammer Sachsen-Anhalt.
Tobias Krull, CDU-Landtagsabgeordneter und Andreas Lehning, DRK-Vizepräsident Landesverband Sachsen-Anhalt (v. li.)
Teilnehmende im Gespräch beim Parlamentarischen Abend der Ärztekammer Sachsen-Anhalt zur Gesundheitsversorgung.
Gut aufgelegt: Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne unterhält sich mit Gästen

Bevor es dann hieß „das Buffet ist eröffnet“, folgte noch ein Höhepunkt des Abends: Prof. Ebmeyer zeichnete die beste MFA-Ausbildungspraxis im Lande aus. Diese Ehrung – zum zweiten Mal verliehen – erhielt die Praxis von Prof. Claudia Grünauer-Clevekorn aus Halle (Saale). Hier wird Teamarbeit zwischen Ärztinnen, Ärzten und MFA-Ausbildungsbeauftragten und Azubis seit Jahren gelebt. Der Lohn: „Trotz der Spezialisierung als Augenarztpraxis gelingt es dabei, die zukünftigen Mitarbeiter umfassend und breit aufgestellt vorzubereiten. Viele schließen ihre Abschlussprüfung mit guten bis sehr guten Ergebnissen ab – ein klarer Beleg für die Qualität der Ausbildung“, so der Kammerpräsident in seiner Laudatio. Nach herzlichem Applaus wechselten alle in den lockeren Teil. Viel gab es zu besprechen, zu diskutieren bei guter Stimmung, kühlen Getränken, kleinen Steaks, Salaten, Eiszauberei und untermalt mit Live-Musik von The Happy Treet Acoustic Twins. Ein feiner Abend mit klaren Botschaften, Dringlichkeiten und Austausch auf Augenhöhe.

K. Basaran

Fotos: Peter Gercke

Austausch von Teilnehmern beim Parlamentarischen Abend der Ärztekammer Sachsen-Anhalt über Gesundheitspolitik.

Wolfgang Beck, Staatssekretär im Gesundheitsministerium und Axel Wiedemann, BARMER-Landesgeschäftsführer (v. re.)

Gespräch unter Teilnehmern beim Parlamentarischen Abend der Ärztekammer Sachsen-Anhalt zu Gesundheitsthemen.
Dr. Ulrich Kuminek, Prof. Uwe Ebmeyer und Dr. Rüdiger Schöning (v. li.)
Teilnehmer im Gespräch beim Parlamentarischen Abend der Ärztekammer Sachsen-Anhalt im Außenbereich.
Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris und Sachsen-Anhalts neuer Bildungsminister Jan Riedel
Live-Musik mit Saxophon und Gitarre beim Parlamentarischen Abend der Ärztekammer Sachsen-Anhalt.
Unaufdringliche aber gute Unterhaltung boten The Happy Treet Acoustic Twins