Zugegeben, die Vorzeichen für den jährlichen Parlamentarischen Abend, liebevoll „Grillen bei Doctor Eisenbarth“ genannt, standen nicht sonderlich günstig. Gegen vorab prognostiziertes Regenwetter kommt man mit guter Planung und Organisation ja noch an. Aber wenn eine kurzfristig einberufene Sondersitzung im Landtag die Anwesenheit der Parlamentarier erfordert, ist die Frage nach der Priorität für Abgeordnete keine mehr – sollte sie ja, genau genommen, auch nicht sein.
Und doch kann man diesen dann kleinen, feinen Abend von Ärztekammer Sachsen-Anhalt und Kassenärztlicher Vereinigung Sachsen-Anhalt am 10. September 2025 mit dem Prädikat „gehaltvoll“ umschreiben. Zum einen, weil die rund 80-köpfige Gästeschar dennoch bedeutsame Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Gesundheitswesen, Bildung und befreundeten Kammern der Heilberufe vereinte. Zum anderen ließen sich im Laufe des Abends dann doch noch Ministerinnen und Minister wie der neue Bildungsminister Jan Riedel sehen, selbst Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) und etliche Landtagsabgeordnete schauten nach der Sondersitzung zum Netzwerken bei kühlen Getränken, Grillbuffet und Livemusik vorbei. Erst der später doch einsetzende und nachdrückliche Regen beendete diesen Abend unter freiem Himmel.
Traditionell startete der Parlamentarische Abend mit einem lockeren Willkommens-Empfang auf der Wiese hinter dem Haus der Heilberufe, dem sich dann der offizielle Teil mit den Reden von Ärztekammer-Präsident Prof. Uwe Ebmeyer und dem Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung Dr. Jörg Böhme anschließen sollte. Doch zunächst wartete man gespannt auf die Ankunft der Gesundheitsministerin, Petra Grimm-Benne. Die Politikerin, die zur Landtagswahl 2026 nicht mehr antreten wird, sollte als Vertreterin der Landesregierung das Grußwort halten. Sie erschien gut gelaunt und nahezu pünktlich.
Mit einer eindringlichen Botschaft eröffnete der Kammerpräsident den Rede-Reigen: Die sich zuspitzende geopolitische Lage mit Ukraine-Krieg, Nah-Ost-Eskalation, Trumpscher Unberechenbarkeit und zunehmender europäischer Uneinigkeit hinterlasse auch in Sachsen-Anhalt Spuren: steigende Kosten, gesellschaftliche Polarisierung, Cyberangriffe, eine Häufung von Krisen, all das „trifft auch unsere regionalen Netze, unsere Versorgungslogistik und nicht zuletzt unser Sicherheitsgefühl“, zeichnete Prof. Ebmeyer die Lage auf. „Sachsen-Anhalt will und kann hier nicht abwarten – sondern muss sich darauf einstellen. Und das beginnt mit einem neuen Verständnis von Gesundheitsversorgung: als Sicherheitspolitik, als Standortfaktor und als sozialer Stabilitätsanker.“ Eine Antwort auf diese Herausforderungen, zu denen sich Fachkräftemangel, Demografie und Reformstau gesellen, seien robuste und verlässliche Strukturen, welche die Widerstandsfähigkeit des Gesundheitssystems gegen äußere Belastungen erhöhen. Der Vorschlag: ein Resilienz-Kabinett Sachsen-Anhalt.
In Anlehnung an das vor zwei Jahren von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff initiierte Gesundheits-Kabinett sollten sich hier ressortübergreifend verantwortliche Akteure miteinander vernetzen, um Ideen und Lösungsansätze zu bündeln, abzustimmen und im Nachgang kontrolliert und strukturiert umzusetzen. Prof. Ebmeyer: „Wir brauchen ein strategisches Steuerungsinstrument, das sich gezielt mit der Vorbereitung auf Krisen-, Katastrophen- und – ja, leider auch – Kriegssituationen befasst … damit wir nicht auf Bedrohungen und Situationen reagieren, sondern ihnen vorbereitet begegnen können.“ Ein Resilienz-Kabinett sei hier ein notwendiger erster Schritt: „Die Ärzteschaft steht hierfür bereit“, machte der Kammerpräsident deutlich.
Wie hilfreich ressortübergreifendes Denken und Handeln ist, zeigt das bereits genannte Gesundheits-Kabinett. Inzwischen konnten mehr als 100 Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, würdigte Prof. Ebmeyer die Zusammenarbeit. Die Zahl der Studienplätze für Humanmedizin sei auf 417 aufgestockt worden – 19 Studienplätze je 100.000 Einwohner. Damit liegt Sachsen-Anhalt hinter dem Saarland mit 29 und Mecklenburg-Vorpommern mit 26 Plätzen bundesweit auf Platz 3. Nun gehe es darum, die „Klebequote“ von frisch ausgebildeten Medizinerinnen und Medizinern zu erhöhen. Dazu hätten sich Akteure vernetzt: „Kommunen haben erkannt, dass sie attraktiv sein müssen und bemühen sich mit Partnern wie der KVSA mit Stipendien und Förderprogrammen um Nachwuchs.“ Maßnahmen wie die Amtsarzt- und Landarztquote greifen bereits, wusste auch KV-Chef Dr. Böhme in seiner Ansprache zu berichten. Weitere Erfolge seien dank fortschreitender Digitalisierung spürbar: Telemedizin könne in Regionen mit akuter Versorgungsnot entlasten, auch wenn sie keine Mensch-zu-Mensch-Medizin ersetzen darf und kann.