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ÄB 05/2023

360 Grad Zugang für die Aortenklappe

360 Grad Zugang für die Aortenklappe

ÄB 05/2023

Einleitung

Für viele Patienten, die eine Erkrankung der Aortenklappe haben, stellt die Zustimmung zur Eröffnung des Brustkorbs ein großes mentales Problem dar. Dabei ist der Zugang zum Herzen über eine konventionelle Sternotomie sicher und über viele Jahrzehnte bewährt.

Neben dem chirurgischen Aortenklappenersatz (AKE) hat sich die Katheter-gestützte minimalinvasive Aortenklappen Implantation (TAVI) in den vergangenen 10 Jahren etabliert. Dieses Verfahren ist aber für die älteren, mit höherem Operationsrisiko behafteten Patienten reserviert. In der herzchirurgischen Sprechstunde stellen sich dennoch immer mehr auch jüngere Patienten vor, die ein solches minimalinvasives Verfahren für ihren AKE wünschen, natürlich auch getriggert durch die rasante Entwicklung des TAVI-Verfahrens.

Obwohl in gegenwärtigen Studien untersucht wird, ob TAVI auch bei mittlerem Risiko sinnvoll angewendet werden kann, ist der chirurgische Klappenersatz und TAVI nicht einfach austauschbar. Bei einem jüngeren Patienten ist es sinnvoll z. B. zunächst eine biologische Herzklappe chirurgisch zu implantieren, um dann später, wenn diese Klappenprothese degeneriert ist, eine TAVI in einem „Valve in Valve“-Verfahren einzusetzen. Schließlich geht es darum, den Patienten eine möglichst lange Lebensprognose zu geben, da auch die TAVI-Klappenprothesen degenerieren.

Bild 1: Verkalkte Aortenklappe
Bild 1: Verkalkte Aortenklappe

In den letzten zwei Jahrzehnten wurden alternative Zugangswege entwickelt, die es dem Herzchirurgen ebenfalls ermöglichen, einen sicheren Wechsel von verschiedenen Herzklappen durchzuführen. Vor allem bei der Aortenklappe gibt es inzwischen unterschiedliche Möglichkeiten, die Klappe sicher zu erreichen.

Zu diesen alternativen Zugangswegen, die als minimal-invasive (MIC) bezeichnet werden, gehören die partielle Sternotomie (PS) und die parasternale antero-laterale Thorakotomie (ANT-LAT). Ein Nachteil dieser Methoden war, dass die Operationszeit sich gegenüber der konventionellen Operation etwas verlängert hatte. Seit Kurzem steht mit dem axillären Zugang (MIC-LATS) ein neues Verfahren zur Verfügung, welches nun im MEDICLIN Herzzentrum Coswig/Anhalt etabliert werden konnte und ebenso schnell durchführbar ist, wie die Operation über die Sternotomie (1, 2).

Ziel des Manuskripts

Mit dem Artikel soll eine Beschreibung der Methode erfolgen („How-to-do-it“) und die Vorteile für den Patienten dargestellt werden.

Vor- und Nachteile von minimal-chirurgischen Zugangswegen zur Aortenklappe

Bild 2: Thorakotomie in der vorderen Axillar-Linie rechtsBild 2: Thorakotomie in der vorderen Axillar-Linie rechts

Die Eröffnung des Brustkorbs durch eine komplette Sternotomie stellt einen sicheren Zugangsweg zum Herzen und allen damit verbundenen Strukturen dar. Über diesen Zugang kann eine indizierte Herzoperation jederzeit ausgeweitet werden und alle möglichen Komplikationen sind beherrschbar.

Als wesentliche Nachteile des Zugangs können in geringem Prozentsatz Instabilitäten des Brustbeins und Irritationen mit den zur Osteosynthese notwendigen Drähten auftreten. Weiterhin ist nach der Osteosynthese des Sternums und der damit verbundenen Durchtrennung des knöchernen Schultergürtels eine körperliche Schonung des Patienten von sechs bis acht Wochen postoperativ notwendig. Für Patienten mit Risikofaktoren, wie zum Beispiel eine COPD, ein Diabetes oder ein perioperatives Durchgangssyndrom, besteht die Gefahr der Sternum Instabilität und der tiefen Wundinfektion (DSWI).

Für die Anwendung minimal-chirurgischer Zugangswege sprechen einige wesentliche Vorteile. In erster Linie wird den psychischen Bedenken der Patienten, die mit einer kompletten Eröffnung des Brustkorbs Probleme haben, entgegengewirkt. Zusätzlich kann durch eine vollständige oder partielle Erhaltung des Brustkorbs und des Schultergürtels eine schnellere Mobilisation erreicht werden. Instabilitäten des Sternums können auch bei Patienten mit hohem Risiko vermieden werden. Als Nachteile des minimal-invasiven Zugangsweges muss erwähnt werden, dass durch diese Form der Schlüsselloch-Chirurgie im Regelfall nur die zu operierende Aortenklappe erreicht werden kann. Bei weiteren Operationsindikationen, wie die Notwendigkeit der Operation an anderen Herzklappen, einer Koronarrevaskularisation bei koronarer Herzkrankheit (KHK) oder intraoperativen Komplikationen muss häufig trotzdem auf eine komplette Sternotomie zurückgegriffen werden.


Neuer Zugangsweg zur Aortenklappe im MEDICLIN Herzzentrum Coswig/Anhalt

Im MEDICLIN Herzzentrum Coswig/Anhalt wurden seit vielen Jahren (ab 2014) die minimal-invasiven Techniken zum Ersatz der Aortenklappe mit sehr guten Ergebnissen angeboten und praktiziert. Seit Kurzem kann nun auch ein neuer Zugangsweg (trans-axillärer Zugang – MICLATS) ohne eine partielle oder vollständige Durchtrennung des Brustbeins angeboten werden. Nach einem intensiven Training von Herzchirurgen und in enger Zusammenarbeit und Anleitung mit den Herzchirurgen des Sana-Herzzentrums Dresden wurde dieser Zugangsweg im MEDICLIN Herzzentrum Coswig/Anhalt etabliert. Durch die Einführung der neuen Operationsmethode in Sachsen-Anhalt hat das MEDICLIN Herzzentrum Coswig/Anhalt ein Alleinstellungsmerkmal in diesem Bundesland.


Durch die Implementierung dieses neuen Zugangswegs ist eine individuellere Versorgung der Patienten mit zu behandelndem Aortenklappenvitium möglich. Die bereits bestehenden Operationsverfahren, wie zum Beispiel TAVI bei Hochrisikopatienten, werden weiterhin berücksichtigt. Nach einer interdisziplinären Besprechung im „Heart-Team“ und vorliegender Diagnostik wird für jeden Patienten der optimale Zugangsweg ermittelt und angeboten.


Beschreibung des Zugangswegs

Das Ziel der Operation bleibt die sichere Behebung des diagnostizierten Aortenklappen-vitiums. Im Vorfeld der Operation muss die Indikation gesichert sein und sämtliche Voruntersuchungen vorliegen, die auch bisher für einen Ersatz der Aortenklappe notwendig waren. Zusätzlich werden eine sonografische Untersuchung der Leistengefäße und eine Computertomografie des Thorax präoperativ angefertigt. Nach entsprechender Aufklärung und Zustimmung des Patienten wird die Operation in Vollnarkose eingeleitet. In einer leichten Linksseitenlage wird der Patient positioniert und chirurgisch desinfiziert sowie steril abgedeckt.

Der Zugang zum Brustkorb erfolgt über den 3. Intercostalraum (ICR) in der vorderen Axillar-Linie rechts. Nach Sichtung der Operationsbedingungen kann nach systemischer Heparinisierung (erforderliche Heparingabe nach Hepcon-Bestimmung mit einer Ziel-ACT von 400 Sekunden) die Herz-Lungen-Maschine in den Leistengefäßen rechts installiert werden (3). Im Anschluss erfolgen die Eröffnung des Herzbeutels und die Einlage eines links-ventrikulären Katheters. Die Aorta kann quer geklemmt und das Herz mittels Kardioplegie-Lösung (Zwei Liter Custodiol-N-Lösung über sechs Minuten) zum Stillstand gebracht werden (4).

Der direkte Zugang zur Aortenklappe kann über die Inzision der Aorta durchgeführt werden. Dabei hat der Operateur wie bei einer konventionellen herzchirurgischen Operation direkte Sicht auf den Operationssitus. Optionale Kamerasysteme ermöglichen die bessere Visualisierung und Nachverfolgung für den Assistenten, den Anästhesisten, die Operationspflege und den Kardiotechniker. Der Ersatz der Aortenklappe entspricht den bisher bekannten Techniken. Hierbei können mechanische und biologische Aortenklappenprothesen jeglicher Bauart zur Anwendung kommen.

Bild 3: Postoperatives Ergebnis nach circa zwei Wochen
Bild 3: Postoperatives Ergebnis nach circa zwei Wochen

Nach erfolgreicher Implantation der Klappe wird die Aorta verschlossen und die kardiale Zirkulation nach der Entlüftung des Herzens wieder freigegeben. Die Herz-Lungen-Maschine wird nach der Erholung des Herzens entfernt. Die fachgerechte Blutstillung und der Verschluss des Brustkorbs durch eine Adaptation der Rippen sowie ein schichtweiser Wundverschluss in der Leiste und am Thorax beenden die Operation. Die intensivmedizinische Nachsorge erfolgt nach vorgegebenem medizinischem Standard. Im Bild 3 sieht man das chirurgische Ergebnis nach circa zwei Wochen.

Fazit

Mit dem MICLATS-Verfahren steht ein Zugangsweg für die Aortenklappe zur Verfügung, der dem Anspruch vieler Patienten nach „Minimalinvasivität“ gerecht wird.

Wir sind auch davon überzeugt, dass die Zukunft zeigen wird, dass ggf. notwendige nachfolgende Herzoperationen nach Operationen im MICLATS Verfahren mit einem niedrigeren Eingriffsrisiko behaftet sein werden als nach konventioneller Herzoperation.

Korrespondenzanschrift:
Dr. J. Schubel
MediClin Herzzentrum Coswig
Lerchenfeld 1
06869 Coswig
Tel.: 034903/49-340
Fax 034903/49-303
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Internet: www.herzzentrum-coswig.de

Fotos: Dr. Jens Schubel/MEDICLIN Herzzentrum Coswig/Anhalt

Literatur:

  1. Wilbring M, Matschke EK, Alexiou K, Di Eusanio M, Kappert U. Surgery without Scars: Right lateral Acces for Minimally Invasive Aortic Valve Replacement. DOI https://doi.org/10.1055/s-0040-1713137. ISNN 0171-6425
  2. Wilbring M, Alexiou K, Schmidt T et al.; Safety and Efficacy oft he Transaxillary Acces for Minimally Invasive Aortic Valve Surgery. Medicina 2023, 59,160
  3. Hill AG, et al. More precise heparin and protamine management during cardiopulmonary bypass. Proceedings of the American Academy of Cardiovascular Perfusion. 1990; 12-16
  4. Loganathan S, et al. Effects of Custodiol-N, a novel organ preservation solution, on ischemia/reperfusion injury. J Thorac Cardiovasc Surgery. 2010 Apr; 139(4):1048-1056