Nach der Besprechung des 2. Bandes (Ärzteblatt Sachsen-Anhalt 32, 2021) folgt nachstehend die des jüngst erschienenen 3. Bandes. Die behandelten Personen wurden nach ihrem Wirken, nicht nach dem Geburtsort ausgesucht. Dem Verfasser geht es um Anregungen zur Eigeninitiative und nicht um einen Kanon.
Eröffnet wird mit Thomas Mann – dem „Innokonservativen“ – und seiner „Lotte in Weimar“. Es folgt der erzgebirgische Mundartdichter und Volkssänger Anton Günther und durch Salomon Salman Schocken (1877 – 1959), Kaufhaus-Unternehmer, Verleger und Philanthrop wurde die Sprach- und Literaturgeschichte des Judentums und deren Einfluss auf die Kultur Deutschlands propagiert. Von dem Romanisten Victor Klemperer (1881 – 1960) erfährt der Leser Erstaunliches über dessen Kino-Leidenschaft. Der „Weihnachtsdichter“ Kurt Arnold Findeisen (1883 – 1963) wird mit dem „Hausbuch der sächsischen Dichtkunst aus zehn Jahrhunderten mitteldeutscher Kultur unter besonderer Berücksichtigung zeitgenössischer Dichter“ und „Das goldene Weihnachtsbuch“ (beide 1928) vorgestellt.
Wer kennt noch Edgar William Hahnewald (1884 – 1961) und dessen Roman „Peter Schlemihls Erlösung“ (1920) sowie zahlreiche Reiseerzählungen? Der Religionswissenschaftler und Philosoph Paul Johannes Tillich (1886 – 1965) bemühte sich lebenslang, den Zusammenhang der universitären Wissenschaft zu begreifen (und) lebte in der Einsicht, dass Glauben und Vernunft sich in ihrer Gegensätzlichkeit bedingen“ (A. Eichler).
Mit der Person Marianne Brandt (1893 – 1983) wird in den Literaturreigen eine Formgestalterin eingefügt und deren „Brief an die junge Generation“ beispielhaft zitiert. Der Dramatiker Eugen Berthold Friedrich Brecht (1898 – 1956) beeinflusste mit seinen Werken das dialektische Denken zweier Generationen des 20. Jahrhunderts und auch noch der Gegenwart. Das Stück „Schweyk im zweiten Weltkrieg“ beinhalte den „Extrakt aller seiner Entwicklungsphasen“.
Als Gegenpol zu Bracht folgt die Romanautorin Seghers (Netty Reiling, 1900 – 1983) mit dem Roman „Transit“ (1944), welcher eine „Ahnung von der Existenzkrise des 21. Jahrhunderts“ vermittelt. Die Autorin Elisabeth Charlotte Henrich (Welskopf-Henrich, 1901 – 1979) wird mit dem populären Hauptwerk „Die Söhne der großen Bärin“ gewürdigt. Auf die akademische Arbeit als Altertumswissenschaftlerin wird hingewiesen.
Erika Albrecht (1906 – 1985) wird mit ihrer verdienstvollen Forschung zu Meister Eckart vorgestellt. Es verwundert nicht, dass A. Eichler als Verleger von Schriften zur KFZ-Historie einen Artikel zu Siegfried Rauch (1906 – 1996) einfügt. Mit Manfred Baron von Ardenne (1907 – 1997) folgt ein weiterer, sich den technisch-physikalischen Problemen und zuletzt der Krebstherapie widmender Wissenschaftler. In dessen Buch „Ich bin ihnen begegnet“ (1997) erinnerte er an viele bedeutende Wissenschaftler-Persönlichkeiten.
Dann folgt wieder ein Literat von Format: Arno Schmidt (1914 – 1979), dem Verfasser von „Zettels Traum“ (1970). Auf den Essay „Goethe und einer seiner Bewunderer“ (1957) wird detailliert eingegangen. Es folgt Walter Janka (1914 – 1994), Gründer des mexikanischen Exil-Verlages „El Libro Libre“ und ab 1953 Leiter des Berliner Aufbau-Verlages (verdienstvolle Gesamtausgabe der Werke Thomas Manns). Christa Johannsen (1914 – 1981) wird mit ihrem Hauptwerk „Leibniz. Roman seines Lebens“ gewürdigt.
Auf den Formgestalter Siegfried Heinz Begeman (1920 – 2009) folgen Bernhard-Victor Christoph-Carl von Bülow (1923 – 2011; „Loriot“) und der Dramatiker Heiner Müller (1929 – 1995), die bedeutende Schriftstellerin und Herausgeberin Christa Wolf (geb. Ihlenfeld, 1929 – 2011), und Carl-Friedrich Claus (1930 – 1998) als Schöpfer von Sprachbildern.
Aus der unmittelbaren Heimat des Autors stammt der „Kinoerzähler“ Gert Hofmann (1931 – 1993), dessen gleichnamiger Roman 1990 erschien und verfilmt wurde. Der Schriftstellerin Brigitte Reimann (1933 – 1973) gelang mit „Franziska Linkerhand“ (1974) ein Epochenroman über den Generationenkonflikt des deutschen Bürgertums im 20. Jahrhundert (A. Eichler).
Der Philosoph Rudolf Bahro (1935 – 1997) wird mit seinem Buch „Logik der Rettung“ (1990) vorgestellt. In diesem „charakterisiert (er) ... die verkopfte Individualphilosophie (Kant, Hegel, Marx u. a.), kritisiert die Fixierung auf reine Vernunft und das Ich-Bewusstsein“ und weist letztlich auf den „spirituellen Rettungsweg als einzige Alternative zur Gegenwart“ hin. Der Rezensent hat allerdings Zweifel an der Vorstellung des Autors A. Eichler, dass eine Kenntnis des Wirkens von Herder und Rathenau Bahro mehr geholfen hätte, die gesellschaftlichen Dissonanzen der Gegenwart zu beseitigen.
Der Band endet mit dem „Sänger und Baggerfahrer“ Gerhard Gundermann (1955 – 1998) und dessen Lebensquintessenz:
„ich habe keine zeit mehr im spalier herumzustehen und im refrain ein bisschen mitzusingen….“
Andreas Eichler hält die poetische Sprache Gundermanns für eine Gegenkraft zur Vereinheitlichung, Erstarrung und dem Missbrauch unserer Sprache. Der reich bebilderte und von Brigitte Eichler hervorragend grafisch gestaltete Band fördert unsere literarische Bildung und gibt auch Anlass zur Nachdenklichkeit.
Dr. Dieter Schwartze, Petersberg